Nachhaltige Mode:Von wegen verstaubt

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Nadine Diepold (links) und Lina Homann halten kleine Schätze in ihrem Secondhand-Shop für Frauen bereit. (Foto: Toni Heigl)

Lina Homann und Nadine Diepold haben mit Nju Nju einen Secondhand-Shop in Dachau eröffnet. Noch findet ihren Laden nur, wer gezielt danach sucht, doch im Herbst ziehen sie mitten in die Altstadt - mit vielen weiteren Ideen.

Von Jacqueline Lang, Dachau

Die Burgfriedenstraße entlang, einmal scharf rechts abbiegen Am Burggraben, an der Hecke vorbei und noch einmal leicht links, dann steht man vor dem Nju Nju. Noch ist die Wegbeschreibung zu dem Secondhand-Shop für Frauenmode ein wenig kompliziert, doch das soll sich schon bald ändern: Die beiden Betreiberinnen Lina Homann, 37, und Nadine Diepold, 34, ziehen nämlich Anfang Oktober mitten in die Dachauer Altstadt. Genauer: In den kleinen Eckladen in der Augsburger Straße 11.

Kennengelernt haben sich die beiden Dachauerinnen über Homanns Schwester und ihre Kinder, die in die gleiche Kita gehen. Als Diepold vor circa eineinhalb Jahren die Idee hatte, einen Secondhand-Shop in Dachau zu eröffnen, war ihr gleich klar, dass sie Homann fragen muss, ob sie Lust hat, mitzumachen. Immerhin ist die Graphikdesignerin keine Unbekannte in Dachaus Gründer- und Kreativszene: Beim "White Paper Festival" auf dem MD-Gelände hatte sie ebenso ihre Finger im Spiel, wie bei der Kulturwerkstatt "Paul und Paula" und beim Café "Samstagskinder".

Geshoppt wird im Nju Nju bei Kaffee und Sekt

Und tatsächlich hatte Homann Lust. Weil sich die beiden anfangs aber noch nicht sicher waren, ob das Konzept, Mode aus zweiter Hand zu verkaufen, in einer Kleinstadt wie Dachau wirklich aufgeht, haben sie sich zunächst gegen einen Laden am Dachauer Karlsberg und für die frei gewordenen Räumlichkeiten der Baufirma von Diepolds Familie entschieden. Der Vorteil: Geringe Investitions- und Fixkosten, geringes Risiko.

Seit Mitte März kann man dort nun immer donnerstags von 15 bis 19 Uhr und einmal im Monat auch samstags die zehn Kleiderstangen nach Schnäppchen und Modeschätzen durchstöbern, bei Kaffee und Sekt. Wenn der Umzug einmal über die Bühne gegangen ist, wollen die beiden ihre Türen an insgesamt vier Tage die Woche öffnen. Schon jetzt kann man ab einer Mindestteilnehmerinnenzahl von vier Personen jederzeit zum privaten Shoppen vorbeikommen.

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Wer sich nun fragt, ob es nicht schon mal einen Secondhand-Shop in Dachaus Altstadt gab, der erinnert sich richtig: Alma Hodzic, die vor drei Jahren das Traditionsunternehmen Rauffer übernommen hat, führte kurzzeitig unter dem Namen "Luxury Vintage by Alma" hochwertige Secondhandware im Sortiment. Schnell hätte sich Hodzic, wie sie Diepold erzählt habe, allerdings entscheiden müssen zwischen Neu- und Gebrauchtware - dabei sei die Wahl auf Erstere gefallen. Allerdings, auch das sagt Diepold: Hodzic habe sie von Anfang an ermutigt, es mit einem reinen Secondhand-Shop in Dachau zu probieren.

Und tatsächlich: Trotz der versteckten Lage und der überschaubaren Öffnungszeiten scheinen sich die Dachauerinnen über das erweiterte Angebot an Einkaufsmöglichkeiten zu freuen. Die Kundinnenschaft sei total "bunt gemischt", von jung bis alt, vom großen bis zum kleinen Geldbeutel sei alles dabei. Vielen, so Diepolds Eindruck, geht es allerdings nicht in erster Linie ums Sparen, sondern eher darum, "nachhaltig zu kaufen". Das ist gut, denn so richtig billig ist es im Nju Nju nicht: Zwar hängen an den Kleiderbügeln vereinzelt auch Kleider von Marken wie Zara oder H&M, aus unternehmerischer Sicht lohnen sich diese Teile aber nur bedingt. Schließlich wollen sowohl die Kommissionärinnen als auch Diepold und Homann an den Kleidungsstücken etwas verdienen. Noch ist der Deal pro verkauftem Teil 50/50, wenn sie in die Augsburger Straße umziehen, werden sie auf 60/40 umstellen. Das sei, sagen sie, der normale Tarif in der Branche.

Von Hosen über Kleider und Accessoires ist im Nju Nju alles aus zweiter Hand oder "preloved", wie die Betreiberinnen es nennen. (Foto: Toni Heigl)
In der Augsburger Straße 11 weist ein kleines Plakat schon auf die Eröffnung des neuen Ladens im Herbst hin. (Foto: Toni Heigl)

Anders als in großen Secondhand-Shops stammt die Ware im Nju Nju - das übrigens so viel wie "neues Neu" heißen soll - zu etwa 70 Prozent von Dachauerinnen, nur rund 30 Prozent kaufen Diepold und Homann auf Flohmärkten zu. Ganz bewusst sprechen die beiden Dachauerinnen nicht von Vintagemode, denn besonders alt muss die Kleidung, die sie verkaufen, nicht sein. Auch Fehlkäufe, die nicht retourniert wurden, nehmen sie zum Beispiel an. Grundsätzlich gilt: Hochwertig und modisch muss es sein, von einem teuren Designer nicht unbedingt. "Die Leute wollen Schätze finden", Diepold, "Kleider mit Geschichte", aber bloß nicht verstaubt und muffelig.

Was nicht verkauft wird, geht nach drei Monaten zurück oder an die Caritas

Was ein modischer Schatz ist, das entscheiden Diepold und Homann ganz nach ihrem eigenen Geschmack. Eine Idee, wie das aussehen könnte, findet, wer sich durch ihren Instagram-Feed scrollt: Dort werden jeden Tag Outfits in kräftigen Farben und mit ausgefallenen Mustern als Inspiration und Kaufanreiz gepostet. Und weil sie sich explizit nicht als Altkleidersammlung verstehen, nehmen sie auch nur an, was gebügelt, gewaschen und in gutem Zustand ist. "Preloved" nennen sie das.

Einen Haken allerdings gibt es: Derzeit geht ihr Sortiment nur in Einzelfällen über die Größe L hinaus. Man arbeite aber, sagt Diepold, durch gezielte Aufrufe daran, "diverser" zu werden, Größen-inklusiver also. Grundsätzlich hängen gebrauchte Kleidungsstücke gut drei Monate im Laden. Wenn sie bis dahin nicht verkauft sind, gehen sie zurück an die Personen, die sie vorbeigebracht haben, oder - wenn die sie nicht wiederhaben wollen - an die Caritas.

Wer für das Dachauer Volksfest noch ein Dirndl sucht, wird bei Nju Nju fündig

Übrigens ist die Idee der beiden, Secondhand-Mode zu verkaufen, keine ganz uneigennützige: Beim Durchschauen der angebotenen Kleidung ist schon das eine oder andere Schätzchen in den Kleiderschrank der Betreiberinnen gewandert. Homann kauft zwar gerne Secondhand, hat aber keine Lust, tausende Seiten auf Plattformen wie Vinted und Sellpy zu durchstöbern. Zumal Online-Shopping ja den Nachteil hat, das man die Stücke nicht gleich anprobieren und anfassen kann. Außerdem, sagt Homann, gebe es doch nichts Schöneres, als durch Dachau zu laufen und jemanden in einem Kleidungsstück zu sehen, das man einmal geliebt, aber irgendwann nicht mehr angezogen hat. So habe das Einkaufen in der eigenen Stadt auch etwas "Kommunikatives".

Der nächste große Schritt für den kleinen Secondhand-Shop ist der Umzug in den größeren Laden. Doch auch darüber hinaus haben die beiden Dachauerinnen viele Ideen für Nju Nju, schließlich soll aus dem Herzensprojekt in Zukunft ein Unternehmen werden, mit dem sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können: Diepold könnte sich etwa gut vorstellen, das Sortiment um ausgewählte Vintage-Möbel zu ergänzen, auch schöne Stücke von befreundeten Kreativen könnte das Angebot einmal bereichern. Außerdem wollen sie einen eigenen Onlineshop eröffnen und für Events mit Stylistinnen oder Tätowiererinnen kooperieren.

Die Annahme neuer Ware haben sie bis zum Herbst aber aus Platzmangel erst einmal eingestellt, mit einer Ausnahme: Trachtenmode. Das Dachauer Volksfest steht schließlich vor der Tür. Und was gibt es Schöneres, als einem schönen Dirndl "eine zweite Chance" zu geben?

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