Benefizkonzert:Innigkeit durch schlichte Schönheit

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Die Spenden der Abendmusik der Chorgemeinschaft Dachau sollen helfen, die hohen Kosten der Kirchenrenovierung zu mildern. (Foto: Toni Heigl)

Die "Chorgemeinschaft Dachau" verzichtet bei ihrem Auftritt in der frisch renovierten Stadtpfarrkirche auf die großen Klassiker der geistlichen Musik. Und führt vor, dass auch zeitgenössische Kompositionen bewegen können.

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Kein Choral von Johann Sebastian Bach, kein Orgelwerk von Josef Rheinberger, die beide bei einem Konzert mit geistlicher Musik üblicherweise nicht fehlen dürfen. Stattdessen gab es am vergangenen Sonntag andere "Wunderbare Werke" mit der Chorgemeinschaft Dachau und Kirchenmusiker Christian Baumgartner bei einer Abendmusik der Extraklasse in der frisch renovierten Pfarrkirche St. Jakob.

Chorleiter Rudi Forche und Michael Meyer, musikalischer Leiter der Stadtkapelle Dachau und Gastdirigent dieses Benefizkonzerts, hatten vorwiegend Stücke zeitgenössischer Komponisten ausgewählt. Sie wurden in Verbindung mit einem mächtigen Bruckner- und einem sensationellen Liszt-Orgelwerk zu einem in jeder Hinsicht großartigen Konzerterlebnis, zumal viele Zuhörerinnen und Zuhörer im voll besetzten Kirchenschiff nur zu gerne der Aufforderung im Programmheft folgten und die Details der aufwendigen Renovierung ebenso bewunderten wie den bestens vorbereiteten Chor und das zugleich leidenschaftliche und präzise Spiel Baumgartners.

Christian Baumgartner begleitet den Auftritt der Chorgemeinschaft Dachau an der Orgel. (Foto: Toni Heigl)

Dieser begann mit Anton Bruckners (1824-1896) mächtigem "Vorspiel und Fuge in c-Moll für Orgel", dem die Chorgemeinschaft das bekannte "Locus iste a Deo factus est, - dieser Ort ist von Gott geschaffen" folgen ließ. Ein kurzes, einprägsames Stück Kirchenmusik, möglicherweise auch ein Ausdruck des Heimatgefühls, das nicht nur die Chorgemeinschaft seit vielen Jahren mit St. Jakob verbindet.

Dem folgenden Kyrie aus der "Missa Brevis für Chor und Orgel" des englischen Komponisten John Rutter, geboren 1945, verlieh der ausdrucksstarke Chor genau das richtige Maß schlichter Schönheit. Rutter zählt zu den populärsten zeitgenössischen Musikschaffenden im Vereinigten Königreich, was möglicherweise nicht nur an seiner eingängigen Melodik und der Einprägsamkeit seiner Werke liegt.

Immerhin ist Rutter auch so etwas wie ein Hauskomponist der Royals, für deren Hochzeiten und Thronjubiläen er Auftragsarbeiten geschaffen hat. Das war für die Chorgemeinschaft jedoch kein Grund, aus dem Kyrie der katholischen Liturgie ein Prunkstück zu machen. Sie beließ es klugerweise bei der innigen Bitte um Erbarmen und beeindruckte dadurch umso mehr.

Es beginnt harmlos, wie tastend

Christian Baumgartner hatte für eines seiner Soli ein echtes Highlight ausgewählt: die "Évocation à la Chapelle Sixtine" von Franz Liszt (1811-1886). Ein verführerisches Meisterwerk, das ganz harmlos, wie tastend, suchend in Erinnerungen wühlend beginnt, sich zur musikalischen Version der überwältigenden Wucht von Michelangelos Fresken in der Sixtinischen Kapelle steigert - und plötzlich Mozarts "Ave Verum" ins Spiel bringt. Warum, erklärte Christian Baumgartner nach dem Konzert: weil Liszt bei seinem Rom-Aufenthalt in der Sixtina tatsächlich den Chor das Ave Verum habe singen hören.

Baumgartners zweites Solostück, das "Menuet Antique aus Mosaik - acht Orgelstücke", von Robert Jones (geb. 1945) ist dagegen ganz der englischen Romantik verpflichtet, obwohl es erst vor rund 40 Jahren entstanden ist. Jones ist in seiner Heimat Wales und im Vereinigten Königreich vor allem bekannt und beliebt, weil seine Werke "eine dankbare Fundgrube für alle romantisch veranlagten (Kirchen-)Chöre sowie Organisten/innen (sind)", wie der Kirchenmusiker Thomas A. Friedrich schrieb.

Jones' Werke sind aber auch eine Freude für die Zuhörer, weil sie leichtfüßig tänzelnd daher kommen, wenn sie entsprechend gespielt werden - so wie es Baumgartner kann. Da mochte man am liebsten bei den Anklängen an einen französisch inspirierten Musette-Walzer mitsummen oder gar mittanzen.

Hoffnung, Trost und Zuversicht

Das setzte sich beim "Jubilate Deo - jauchzet vor dem Herrn", ebenfalls von Jones komponiert, fort. Welch Trost, Hoffnung und Zuversicht spendende Kraft die Musik haben kann, zeigten Chorgemeinschaft und Dirigent auch mit einem "Laudate Dominum - Lobet den Herrn" des Norwegers Knut Nystedt (1915-2014). Wahre Glücksmomente lösten alle Beteiligten mit John Rutters großartigem "For the Beauty of the Earth" aus, in dem er Chor und Orgel noch eine Flöte zur Seite stellt.

In St. Jakob überzeugte Felicitas Brandt mit ihrem sensiblen Spiel. Dieses die Schönheit der Erde preisende Gedicht von F. S. Pierpoint in der ansprechenden Vertonung von John Rutter mag zwar aktuell in vielen Ohren wie ein schöner Traum jenseits von Klima, Krieg und Krisen klingen. Doch das empathische Zusammenspiel von Text und Tönen hat eine suggestive Kraft und lenkt den Blick auf all das Gute und Schöne, das auch jenseits einer wunderbaren Abendmusik mit Super-Solisten und einer Chorgemeinschaft in Hochform immer noch reichlich vorhanden ist. Bach und Rheinberger wurden dieses Mal nicht vermisst.

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