Festival:Märchenhafter Schabernack

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Clown Bella lässt ihre niedliche Gießkanne über den Köpfen von Orchester und Dirigent kreisen. Die Kinder im Publikum lachen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Zum Abschluss des Musikfestes Blumenthal gibt es zwei Konzerte: eines für Kinder und eines für Erwachsene. Beide verlangen den Orchestermitgliedern auf unterschiedliche Art und Weise alles ab.

Von Dorothea Friedrich, Dachau/Aichach

"Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande", so hat Ludwig van Beethoven (1770-1827) den ersten Satz seiner sechsten Sinfonie, der Pastorale, überschrieben. Der Titel ist gewissermaßen Programm beim Musikfest Blumenthal, das so gar nichts Eventmäßiges an sich hat, das mit seiner ungezwungenen, entspannten Atmosphäre ohne Chichi und Kleiderordnung, mit hochkarätigen Musikerinnen und Musikern und nicht zuletzt mit viel Grün rund um die ehemaligen Schlossgebäude immer mehr Besucher anlockt. Am vergangenen Sonntagabend ging das Musikfest mit einer zweiten fabelhaften Aufführung dieses Meisterwerks zu Ende. Davon später mehr.

Bereits am Samstag spielte das Festspielorchester, die Camerata Vitilo, unter der Leitung von Antonello Manacorda Beethovens Sechste in "Bella Pastorella", einem märchenhaft schönen und inspirierenden Kinderkonzert. Entsprechend fröhlich und turbulent ging es in den ersten Reihen zu. Sie gehörten ganz den Kids, die gerne freundlich, aber bestimmt ihre Helikopter-Eltern auf die hinteren Ränge verwiesen. Schließlich wollte jede und jeder genau sehen, wer da neben dem vierzigköpfigen Orchester auf der Bühne agierte.

Da müssen Orchestermitglieder laut lachen - und dennoch den Takt halten

Es war Clown Bella alias Fagottistin und Konzertpädagogin Ingrid Hausl, die auch das Konzept dieses Kinderkonzerts entwickelt hat. Clown Bella ist eine sympathische Gestalt, die mit Gestik und Mimik, mit Pantomime und fast ohne Worte, dafür mit umfunktionierten Plastikbechern, einer Luftpumpe und einem Radgerippe, mit Gartenschere, Blumen und (nicht echtem) weißen Vogel ihre kleinen - und erwachsenen - Zuschauer verzaubert. Gebannt schauen die Kleinen, wenn Bella ihren weißen Vogel fliegen lässt, sie kichern und lachen laut, wenn sie ihre niedliche Gießkanne über den Köpfen von Orchester und Dirigent kreisen lässt. Bella ist immer zu einem Schabernack mit den fröhlich mitspielenden Musikerinnen und Musikern aufgelegt und nimmt auf ihre unnachahmliche Weise die Kinder mit auf einen Landausflug der hochkarätigen musikalischen Art.

Da bewegen sich kleine Ärmchen hochkonzentriert im Takt der Musik, tänzeln Mädchen und Buben auf ihren Stühlen oder noch lieber vor der Bühne oder machen mit dem aus großen Körben quellenden Instrumentarium die Begleitmusik zu "Gewitter und Sturm", dem vierten Satz der Sinfonie. Da müssen etliche Orchestermitglieder wieder mal laut lachen - und lassen sich dennoch nicht aus dem Takt bringen.

Mädchen und Buben wippen auf ihren Stühlen zur Musik mit. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Gar nicht so einfach nicht aus dem Takt zu kommen, wenn vor einem ein Clown Schabernack treibt. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Clown Bella alias Fagottistin und Konzertpädagogin Ingrid Hausl macht ein Nickerchen im Korb. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Dirigent Manacorda, der demnächst übrigens eine Mozart-Matinee bei den Salzburger Festspielen aufführt, überließ dem Star dieses Kinderkonzerts schon mal gerne die Leitung des Orchesters, spielte Bellas lustiges Spiel mit echtem Vergnügen mit - und hatte zugleich seine Musizierenden fest im Blick. Die nahmen mit ihrem intensiven, fein differenzierten Spiel ihr Publikum vom ersten bis zum letzten Ton mit auf diesen Ausflug - und machten Lust auf eine Wiederholung.

Das Werk verlangt nach Spitzenkönnern unter Solisten und Orchestern

Diese gab es am Sonntagabend nach dem Klarinettenkonzert A-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) mit Musikfest-Initiator und dessen künstlerischem Leiter, Georg Arzberger, als Solisten. Eine ausgezeichnete Wahl, wie sich zeigen sollte. Verlangt doch dieses in Mozarts Todesjahr 1791 entstandene Werk mit seinen lyrischen und dramatischen Passagen nach Spitzenkönnern unter Solisten und Orchestern.

Sie finden sich seit nunmehr drei Jahren in der Camerata Vitilo. Hier musizieren Mitglieder internationaler Spitzenensembles und -orchester sowie Professorinnen und Professoren bekannter deutscher Musikhochschulen zusammen. Antonello Manacorda ist zudem ein vielfach ausgezeichneter Dirigent. Was außerdem zum einzigartigen Konzerterlebnis in Blumenthal beiträgt, ist die warme, samtige Akustik des Aufführungsorts, etwas prosaisch "Dachboden des Ökonomiegebäudes" genannt. Mit seinem nackten Betonboden und den kleinen Baustellen im Inneren hat dieser Konzertsaal einen liebenswerten Hauch von Provisorium.

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Weich und poetisch spielen Arzberger und die Camerata Vitilo den ersten Satz dieses beliebten Klarinettenkonzerts. Arzberger lebt seine ganze Virtuosität mit seinem Instrument aus, spielt den elegischen zweiten Satz so innig schön, dass man sich in ferne Galaxien träumen möchte. Verhalten heiter - und unfassbar gut gespielt - ist der dritte tänzerische Satz. Dirigent Manacorda - ohne Taktstock und Partitur - scheint mit federnden Bewegungen jedem Musiker persönlich zugewandt, er spricht mit seinen Händen, gibt präzise Einsätze, ist gleichsam der Moderator im Zwiegespräch von Solist und Orchester. Einfach schön.

Doch es geht fast noch schöner, noch wundersamer. Beethovens Pastorale entfaltet sich zu einem Panorama der Sehnsüchte. Und hat "mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei", wie der Komponist selbst einmal gesagt hatte. Ist doch die heile Landwelt längst der Klimakrise zum Opfer gefallen. Doch das spielt bei dieser geradezu opernhaften Aufführung keine Rolle. Das schon zitierte "Erwachen heiterer Empfindungen" des ersten Satzes steigert sich noch beim niedlichen Vogelgezwitscher in der "Szene am Bach" im zweiten Satz. Man möchte am liebsten die Füße ins glasklare Wasser stecken, um für ein "Lustiges Zusammensein der Landleute" gerüstet zu sein.

"Gewitter und Sturm" im vierten Satz sind ein musikalisches Starkwetterereignis. Die "Hirtengesänge - Frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm", lösen Erleichterung pur aus, weil alles gut gegangen ist. Dank des fabelhaften Zusammenspiels von Orchester und Dirigent wird die Pastorale zu einer echten Neuentdeckung und zum Kino für die Ohren. Dafür gibt es zu Recht nicht enden wollenden Beifall.

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