Amtsgericht Dachau:"Wenn jemand die Bewährung verdient hat, dann Sie"

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Der Fall des 18-jährigen Karlsfelders wird vor dem Dachauer Amtsgericht verhandelt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Ein 27-jähriger Karlsfelder wird beim Handeln mit Marihuana auf frischer Tat erwischt und gesteht daraufhin auch den Besitz von noch mehr Drogen für den Eigenbedarf. Richter Tobias Bauer lobt seine Kooperation als vorbildlich und verurteilt ihn zu lediglich neun Monaten auf Bewährung.

Von Jacqueline Lang, Dachau

Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, kurz BTMG, werden vor dem Dachauer Amtsgericht alle naselang verhandelt. Dass ein Angeklagter von einem Richter als "Vorzeige-Drogenbesitzer" bezeichnet wird, passiert indes eher selten. Der Grund für dieses Lob: Laut Richter Tobias Bauer hat er "noch nie" einen Angeklagten erlebt, der so gut und freiwillig mit der Polizei kooperiert hat, wie der 27-jährige Karlsfelder. Das wirkt sich auch positiv auf sein Urteil aus: Trotz rund 100 Gramm Marihuana und zumindest einem Verkauf an Dritte verurteilt er den Mann nur zu einer Haftstrafe von neun Monaten, die dieser allerdings nicht im Gefängnis absitzen muss. "Wenn jemand die Bewährung verdient hat, dann Sie."

Laut Anklageschrift und von dem Angeklagten auch unbestritten, soll dieser im März und September des vergangenen Jahres jeweils Marihuana im Wert von rund 500 Euro am Münchner Bahnhof gekauft haben. Zudem soll er drei Gramm an einen Freund verkauft haben, für 50 Euro. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm deshalb nicht nur den Besitz von illegalen Drogen, sondern auch den Handel damit vor. Letzteres bestreitet der Angeklagte jedoch: Es sei zwar richtig, dass er seinem Freund die drei Gramm gegeben und dafür 50 Euro bekommen habe, aber es habe sich dabei eher um einen "Freundschaftsdienst" gehandelt. Dass der Preis für die Menge mit 50 Euro sogar über dem handelsüblichen Preis liegt, erklärt der 27-Jährige damit, dass sein Freund ihm aus Dankbarkeit mehr Geld als gefordert gegeben habe. Denn er selbst habe ihm anfangs gar nichts von seinem eigenen Vorrat verkaufen wollen, aber sein Freund habe Probleme gehabt, "ihm ging's nicht gut". Dass er solch große Mengen besessen hat, erklärt der Karlsfelder mit seinem damals hohen Konsum, er habe sich immer gleich für ein halbes Jahr oder Jahr eingedeckt.

Beweise, dass ein zweites Mobiltelefon als "Dealerhandy" benutzt wurde, gibt es nicht

Aufgeflogen war der Angeklagte bei der Übergabe der Drogen an seinen Freund, Zivilpolizisten hatten aufgrund des "konspirativen Verhaltens" der beiden eine Personenkontrolle durchgeführt und dabei das Marihuana sowie das Geld gefunden. Von sich aus habe der Angeklagte daraufhin, so sagt es ein Beamter der Fürstenfeldbrucker Kriminalpolizei, darauf hingewiesen, dass er zuhause weitere Drogen habe und einer Wohnungsdurchsuchung zugestimmt. In der Wohnung des 27-Jährigen habe man eine Feinwaage gefunden, eine "nicht geringe Menge" an Marihuana und Bargeld in Höhe von 440 Euro in "szenetypischer Stückelung". Der Beamte selbst räumt aber ein, dass allein das Bargeld kein Hinweis dafür sei, dass jemand "mit illegalen Sachen dealt". Es sei lediglich ein "Puzzleteil". Noch so ein Puzzleteil ist aus Sicht der Polizei der Chatverlauf mit dem Mann, dem der Angeklagte das Marihuana verkauft habe.

Diesen Chatverlauf habe man zwar nur händisch, nicht forensisch ausgewertet. Im Abgleich mit dem Handy des anderen Mannes sei man aber auf einen anderen Chatverlauf gestoßen, anhand dessen sich vermuten lasse, dass der Angeklagte mehr als ein Handy besitzt. Womöglich, so der Polizist, existiere also "noch ein Dealerhandy", Beweise dafür gebe es aber nicht, auch wenn mehrere Mobilfunkanschlüsse auf den Angeklagten laufen.

Für die Staatsanwaltschaft reichen die große Menge an Drogen, die gefundene Feinwaage und der Umstand, dass der Angeklagte als Fitnesstrainer gar nicht genug verdient habe, um sich das Marihuana ohne einen "Nebenerwerb" zu finanzieren, aus, um am Vorwurf des Handels festzuhalten, sie spricht aber von einem "minderschweren Fall", weil es sich mit Marihuana um eine sogenannte weiche Droge gehandelt habe und der Angeklagte bis dato noch nie straffällig in Erscheinung getreten sei.

Das Verhalten des Angeklagten beschreibt Richter Bauer als "vorbildlich"

Auch das Schöffengericht geht von einem minderschweren Fall aus, ist aber wie die Verteidigung der Meinung, dass konkrete Anhaltspunkte, die auf den Handel mit der Droge schließen lassen, nicht vorliegen. Vielmehr sei das Verhalten des Angeklagten - mal abgesehen von den Drogen - vorbildlich und müsse honoriert werden. Und, so Richter Bauer: Nicht alles, was verdächtig sei, sei am Ende auch zu verurteilen.

Den Vorschlag von Verteidiger Eberhard Uhrich, es bei einer Geldstrafe zu belassen, kann Richter Bauer trotzdem nicht berücksichtigen: Das Mindeststrafmaß liege bei einer Haftstrafe von drei Monaten. Aufgrund der Drogenmenge könne man es zudem nicht beim "untersten Rand" des Strafmaßes belassen und so laufe es auf eine Haftstrafe von neun Monaten hinaus, allerdings ausgesetzt zu drei Jahren auf Bewährung. Als Bewährungsauflage muss der Angeklagte, der aktuell arbeitslos ist, aber einen Job bei einer Leiharbeitsfirma in Aussicht hat, zudem innerhalb der kommenden zwei Jahre insgesamt 3000 Euro an den Dachauer Verein Drobs überweisen.

Darüber hinaus werden das bei dem Angeklagten, der aufgrund seiner Sucht eine Therapie angefangen hat, gefundene Marihuana, sowie auch Utensilien wie die Feinwaage, ein sogenannter Crusher und die 50 Euro, die dieser für den Verkauf an seinen Freund erhalten hatte, vom Gericht eingezogen. Die übrigen 390 Euro darf er behalten, denn selbst wenn er Handel betrieben hätte, so Richter Bauer, sei es schwer nachzuweisen, dass das Geld aus diesem Handel stamme.

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