Museum Altomünster:Weltanschauung auf Karton

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Frauenportraits sind ein Themenblock in der aktuellen Postkartenausstellung im Museum Altomünster. (Foto: Toni Heigl)

Peter Fink stellt dem Museum Altomünster mehr als 500 Postkarten aus der Hinterlassenschaft seiner Großmutter zur Verfügung, darunter viel Verehrerpost. Zu lesen bekommt man die Karten aber leider nicht

Von Dorothea Friedrich, Altomünster

Stellen wir uns einmal vor, in gut hundert Jahren würden unsere Enkel auf dem Dachboden eine Kiste mit Smartphones aus unserer Zeit finden. Höchstwahrscheinlich würden sie ratlos vor diesen merkwürdigen Geräten stehen, die längst nur noch in Museen zu finden wären und die kein Mensch mehr bedienen könnte. Verloren wären all unsere mehr oder weniger bedeutsamen Chats und Fotos auf allen gleichfalls längst verschwundenen Social Media-Kanälen. Verloren wären aber auch ein großer Teil familiärer Geschichte und unendliche Möglichkeiten, sie in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext einzuordnen.

Ganz anders verhält es sich mit Postkarten, jenem Medium, das lange Zeit nicht nur der Kommunikation diente, sondern bisweilen auch so etwas wie ein Statussymbol war. Konnte man doch mit Urlaubsgrüßen zeigen, dass man sich Reisen leisten konnte, mit hingekritzelten Liebesschwüren des Verehrers oder der Verehrerin im Freundes- und Freundinnenkreis angeben und sich nebenbei Gedanken machen, wie das vom Absender ausgewählte Motiv wohl zu interpretieren wäre und und und.

Die neue Ausstellung im Museum Altomünster widmet sich "Postkarten aus der guten alten Zeit" auf eine sehr persönliche Art. Peter Fink, Gründungsmitglied des Museums- und Heimatvereins Altomünster, hat mehr als 500 Karten aus der Hinterlassenschaft seiner Großmutter Karoline Mauer, geborene Reichert, zur Verfügung gestellt. Die Ausstellungskuratoren Susanne Allers, Regina Schüffner und Professor Klaus Peter Zeyer haben rund die Hälfte davon für die Schau ausgewählt, thematisch eingeordnet und einen bemerkenswerten Katalog erstellt. Diese ehrenamtliche Arbeit zeigt nicht nur eindrucksvoll, was bürgerschaftliches Engagement trotz aller coronabedingten Einschränkungen leistet, sondern gibt auch so etwas wie einen Vorgeschmack auf mögliche weitere Events des Museumsvereins im Laufe des Jahres. Denn dieser kann heuer sein 25-jähriges Bestehen feiern - sofern die Pandemie nicht wieder einen Strich durch die Rechnung macht, respektive Planung.

"Ein weiser Mann sorgt immerfort schon vor dem Suff für'n Heimtransport": Witzpostkarte zur Münchner Biertradition. (Foto: Toni Heigl)

Was aber vermitteln die Postkarten der im unterfränkischen Saal an der Saale 1885 geborenen Katharina Reichert in ihren Vitrinen respektive auf den knapp erklärenden Info-Fahnen? Sie zeigen Ortsansichten aus ihrer unterfränkischen Heimat und aus Würzburg aus der Zeit vor den verheerenden Zerstörungen der beiden Weltkriege. Damit sind sie Zeugnisse der Orts- und Landschaftsentwicklung, auch wenn die putzigen Häuser seinerzeit für ihre Bewohnerinnen und Bewohner häufig eher wenig komfortabel waren und in Sachen Wohnqualität heute kaum jemand mit ihnen tauschen möchte.

Royale Devotionalien

Ein weiterer großer Themenblock widmet sich Motiven aus dem bayerischen Königshaus von Ludwig II., dem Märchenkönig, über Prinzregent Luitpold bis zu Ludwig III., der sich in der Novemberrevolution von 1918 fast sang- und klanglos von seinem Königtum verabschiedete. Aus heutiger Sicht mag das wie eine Art Devotionaliensammlung anmuten, zumal in der Ausstellung die einschneidenden gesellschaftlichen und politischen Umbrüche jener Zeit keine Berücksichtigung finden. Bei der Einordnung hilft - und das gilt uneingeschränkt für die gesamte Schau - jedoch ein Blick in den Begleitkatalog.

Leider werden nur die Vorderseiten der Postkarten gezeigt. Man würde gerne wissen, was hinten draufsteht. (Foto: Susanne Allers)

Ähnlich ergeht es dem Betrachter oder der Betrachterin der karikaturistischen Motive und der Frauenporträts. Selbstredend waren um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert politische Karikaturen im Umlauf, die ein ungeschminktes Bild der immer noch gerne verklärten "guten alten Zeit" zeigten, von den frauendiskriminierenden pornografischen Karten gar nicht zu reden. Doch die fanden eben keinen Eingang in die Sammlung des Fräulein Reichert, der späteren Frau Mauer. Schließlich "ist ein nicht geringer Teil Verehrerpost", wie ihr Enkel Peter Fink bei der Vernissage sagte. Echt schade, dass man diese Zeilen nicht lesen kann, weil eben nur die Vorderansichten gezeigt werden. Möglicherweise fänden sich dort etliche Anregungen für erfolgreiches Anbaggern im 21. Jahrhundert, denn schließlich hat schon Karl Valentin in seiner unnachahmlichen Diktion festgestellt: "Heute ist die gute alte Zeit von morgen."

"Postkarten aus der guten alten Zeit" noch bis zum 26. Juni 2022 im Museum Altomünster. Geöffnet: donnerstags bis samstags von 13 bis 16 Uhr, sonntags von 13 bis 17 Uhr.

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