Verschwunden aus dem Hinterhof:Der Weltenbummler hat seinen Wagen wieder

Lesezeit: 2 min

Große Freude: Christoph Rehage hat seinen Wagen wieder, den er von China nach München zog. (Foto: Catherina Hess)

Christoph Rehage lief zu Fuß von China nach München. Und ausgerechnet hier verlor er seinen Handwagen, den treuesten Begleiter. Ein Hausmeister hatte ihn entsorgt. Doch die Geschichte nimmt ein glückliches Ende.

Von Sabine Buchwald

Genau wird Christoph Rehage vielleicht nie herausfinden, was mit seiner Kabutze wirklich geschah. Will er auch gar nicht. Wichtig für ihn ist nur eins: Sein Handwagen, den er Kabutze nennt, ist wieder da. Seit 2008 hat ihn das Gefährt - mit einigen Unterbrechungen - auf seinen Reisen zu Fuß von China nach Deutschland begleitet. Auf dem stummen Kumpel hat er seine Habseligkeiten gut 16 000 Kilometer weit transportiert. Bei einem Zwischenstopp in München bekam er plötzlich die Nachricht: Die Kabutze ist verschwunden, entwendet aus einem Schwabinger Hinterhof.

Rehage hatte sie am 30. Juni dort in einer stillen Ecke geparkt, nachdem er bei einer Freundin aus Unizeiten Unterkunft fand. Im Glauben, die Kabutze stehe dort sicher, war er für ein paar Tage in den Urlaub nach Rimini gefahren. Am 18. Juli erreichte ihn dann der Anruf aus München: Der Stellplatz im Garten ist leer, die Kabutze verschwunden. Rehage verbreitete seinen Schmerz über den Verlust über Social-Media-Kanäle. Fremde Menschen klapperten für ihn die Münchner Wertstoffhöfe ab. Gespräche mit der Hausverwaltung und Vertretern der Hausmeisterei ließen Rehage glauben, das aus Stahlrohr geschweißte Gestell sei in eine dieser städtischen Müllsammelstellen verbannt worden. Er sah die Kabutze im Geiste schon zerquetscht flach wie Dosenblech.

So kann Christoph Rehage mit dem Gefährt nicht weiterziehen, die zersägten Teile müssen erst wieder verschweißt werden. (Foto: Catherina Hess)

In den vergangenen acht Tagen bekam Rehage, 41, viele Reaktionen. Man bot ihm alte Fahrradanhänger an, ein mitleidender Konstrukteur machte ihm sogar eine Zeichnung für ein neues Gefährt und wollte ihm die Räder dafür spendieren. Zwischenzeitlich nahm Rehage auch schon Kontakt zu einem Metallbauer am Münchner Stadtrand auf. Ihn wird Rehage nun tatsächlich noch brauchen, denn die Kabutze ist nicht mehr ganz die alte.

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Am Montag hatte sich überraschend die Hausverwaltung bei ihm gemeldet. Der Handwagen sei von der Hausmeisterfirma aus einem Wertstoffhof gerettet worden, er könne ihn in der Firmenzentrale abholen. So machte sich Rehage auf in den Norden der Stadt, wo er erfuhr, dass er gar nicht so weit hätte fahren müssen. Die Kabutze sei in Schwabing, aufgehoben im Hausmeisterraum, nur ein paar Meter vom ursprünglichen Abstellort. Und da war sie dann auch, allerdings in grobe Stücke zersägt. Sie habe nicht in das Transportauto gepasst, sagte der freundliche Mann, der Rehage sein Eigentum aushändigte, deshalb sei sie noch da, einen Wertstoffhof hat sie also nie gesehen.

Mit einem lauten Jubelschrei quer durch das Schwabinger Hinterhof-Ensemble habe er sich für dieses Happy End bedankt, erzählt Rehage am Telefon. "Ich bin mega froh." Er denke, so etwas nenne man ein Missverständnis. "Ich habe diese neue Version der Geschichte lächelnd hingenommen."

Nun wird sich Rehage ein Auto leihen und die Stahlrohrreste, die man für ein Kunstobjekt oder auch einen Haufen Schrott halten könnte, zu besagtem Metallbauer bringen. Ganz besonders freut er sich, dass auch der lange Stock, den er an der Kabutze befestigt hatte, wieder zu ihm zurück gefunden hat. Den hatte er im Osten von Iran auf einer Straße aufgelesen. Eine Art Zauberstab gegen zudringliche Hunde. Nie habe er damit zuschlagen müssen, sagt Rehage. Ihn hochzuhalten, allein das habe bei den Tieren Respekt ausgelöst.

Sobald die Kabutze wieder fahrtauglich ist, wird sich Rehage auf den Weg Richtung Bad Nenndorf bei Hannover machen. Zu Fuß, wie schon seit 2016. 600 Kilometer fehlen ihm noch bis zu seinem Ziel. Dachau, Augsburg, Heidelberg, mit diesen Etappen will er sich seinem Heimatort nähern. "Ich habe keine schlechten Gefühle", sagt Rehage. Er sei einfach nur froh über diesen Ausgang. Zu den vielen Geschichten, die Rehage von seiner langen Reise erzählen kann, ist nun eine weitere aus München dazu gekommen. Er glaubt an "Yuanfen", sagt Rehage. Das sagen die Chinesen für schicksalshafte Begegnungen, glückliche Fügungen, Karma.

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:Verschwunden - ausgerechnet in München

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Von Sabine Buchwald

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