Kritik:Voller Einsatz

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Christian Springer mit neuem Solo-Programm "Nicht egal" im Lustspielhaus.

Von Thomas Becker, München

Dass dieser Christian Springer redet wie der sprichwörtliche Wasserfall, atemlos, ohne Punkt und Komma, dazu in einer Lautstärke, die mit startenden Flugzeugen konkurrieren könnte, ist nicht neu. So kennt man ihn seit Jahren auf und neben der Bühne: voller Einsatz, unbedingtes Engagement, resoluter Kampf gegen die Ungerechtigkeiten der Welt, und davon gibt es wahrlich mehr als genug. "So viele Themen!", sagt er im Lustspielhaus zu Beginn von "Nicht egal", seinem mittlerweile zehnten Solo-Programm, und hechtet los: von der Kasseler "Antisemitika" über den Tankrabatt und die Windkraft bis zum Atomkrieg und dem Gendersternchen. Ganz schön viel Holz. Nur: So manches Mal dauert es recht lange, bis das Beil endlich runter saust.

Es ist schon ein wenig verwunderlich, wie viel Energie und Zeit dieser ewig Getriebene an vergleichsweise belanglosen Nebenschauplätzen verpulvert. Das Bild von der überkochenden Milch, also vom eskalierenden Kriegstreiber Putin, malt er so ausgiebig, farbenfroh und mit derart viel Verve, dass die Conclusio ("Dabei bleiben und aufpassen!") glatt daneben verblasst. Dabei sind seine Geschichten ja prima Augenöffner, wie immer haarklein recherchiert. Zum Beispiel die von der Zivilschutzverordnung aus dem Jahr 1962, die bis heute gültige Handreichung für den Fall eines Atomkriegs: Bücher vors Fenster, Aktentasche über den Kopf!

Oder die entlarvende Schote von Mick Jagger und Leni Riefenstahl: 1974 lud der Superstar den ehemaligen NS-Superstar nach London ein, um Fotos von sich und seiner Bianca fertigen zu lassen, wohl wissend, was für ein schöner Aufreger das werden würde. Jahre später, als der Zeitgeist endlich kritischer mit Riefenstahl umging, gab er im SZ-Interview vor, sich nicht erinnern zu können - und so ist der Über-Mick mit ein paar Sätzen vom Sockel geholt. Da muss Springer auch gar nicht mehr so laut werden wie früher seine Mutter im Truderinger Obst- und Gemüseladen, die gegen den Fluglärm aus Riem anschreien musste.

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