Valentin-Karlstadt-Musäum:Die Aktentasche gegen atomare Verstrahlung

Lesezeit: 2 min

"Eine bomben Aussicht" heißt die Fotoausstellung von Christian Springer (links) und Albert Kapfhammer. (Foto: Catherina Hess)

"Eine bomben Aussicht": Die Fotoausstellung von Christian Springer und Albert Kapfhammer ist ein Bild gewordener Anti-Kriegs-Aufruf.

Von Thomas Becker

"Man kommt ja gar nicht zum Reden hier." Ein Satz, der Christine Eixenberger wohl nicht oft entfährt, gehört die Kabarettistin und Schauspielerin doch zu der Sorte Mensch, die man als "nicht auf den Mund gefallen" bezeichnet. Aber hier oben im Turmstüberl des Valentin-Karlstadt-Musäums ist sie erst einmal mit schauen beschäftigt, wie das so ist, wenn man zum ersten Mal inmitten dieser Kuriositätensammlung sitzt: Schabernack und grober Unfug, wohin man auch schaut! Christian Springer grinst über Eixenbergers staunende Miene und sagt: "Schau mal über die Tür!" Da schwebt eine Fledermaus auf und nieder, sobald jemand die Tür öffnet oder schließt. Ein herrlich skurriles Ambiente, dieses Caféhaus der anderen Art, dummerweise akut vom Aussterben bedroht, davon gleich mehr.

Denn bevor sich die Feiergemeinde im Südturm des Isartors zu Prosecco und Laugenstange trifft, ist nebenan im Nordturm noch die Kultur dran: Ausstellungseröffnung von "Eine bomben Aussicht", einer Gemeinschaftsarbeit des Kabarettisten Springer und seines langjährigen Weggefährten Albert Kampfhammer. Letzterer hat ersteren 31 Mal schwarz-weiß fotografiert, jeweils mit einer schwarzen Aktentasche über den Kopf gestülpt: auf einem Schlitten am Olympiaberg oder im Passbild-Automaten sitzend, die Füße in den Eisbach steckend, flach auf dem Boden liegend, dem Speerwurf einer Amazone ausweichend oder vis-à-vis des ebenfalls behelmten Perikles.

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Auslöser der Fotoserie: Putins Angriffskrieg nebst unverhohlener Drohung mit einem Atomschlag. Älteren Semestern fallen da gleich die Duck-and-Cover-Filmchen aus den 50er-Jahren der USA ein, als vor Kuba der Ausbruch eines Atomkriegs drohte. Auch in unseren Breiten hielt sich die Mär, dass es in einem solchen Fall genüge, sich zum Schutz eine schwarze Aktentasche über den Kopf zu ziehen, wie die Bundesregierung in den 60er-Jahren in ihrer Kampagne "Jeder hat eine Chance" empfahl.

Und da Springer eine solche Tasche auch nach dem Ableben seiner Bühnenfigur Fonse noch daheim hat ("Die Mama hat gesagt: Heb' die auf! Die is' noch vom Papa!"), war das wiederkehrende Fotomotiv schnell klar. Wobei der Nichts-sehen-nichts-hören-nichts-riechen-Look mehr impliziert, eigentlich einen Bild gewordenen Anti-Kriegs-Aufruf darstellt. Springer sagt: "Ich merke, wie der Mensch gerade seine Sinne verliert. Die Sinne für angemessenes Verhalten, seine Umwelt, unsere Natur, Politik, Gerechtigkeit, Empathie, Solidarität." Kein Widerspruch, nirgends.

Gedränge bei der Vernissage: Aber mehr als 50 Gäste gleichzeitig darf Museumschefin Sabine Rinberger nicht reinlassen. (Foto: Catherina Hess)

Zu der Wanderausstellung (im Isartor noch bis 16. April) hat Springer interessante Rückmeldungen bekommen. In Beirut, wo er mit seiner Initiative "Orienthelfer" seit Jahren Unterstützung aller Art organisiert und wo im vergangenen Sommer die Vernissage stattfand, sagte man ihm: "Nichts hören, nichts sehen: Du hast eine Ausstellung über Libanon gemacht!" In Burghausen, der bislang letzten Station, sagte eine ältere Frau: "So wie der mit der Tasche überm Kopf will ich auch sein! Dann ist man nicht mehr so angreifbar." Der örtliche Bürgermeister sei schwer beeindruckt gewesen und habe für 1800 Euro ein zentrales Motiv - Springer am Königsplatz, Titel "War was?" - im Format DIN A0 erstanden, erzählt Springer, natürlich ohne den Münchner Bürgermeister-Kollegen Dominik Krause in Verlegenheit bringen zu wollen. Der beschied sich mit einem kurzen Grußwort, stellte sich brav mit Uschi Glas und anderen VIPs zum Foto auf und ließ das Turmstüberl aus.

Womöglich um sich nicht noch in eine Diskussion mit Musäums-Direktorin Sabine Rinberger zu verhaken. Die steckt mit ihrem Unikum von Museum in einem Bermuda-Dreieck aus Barrierefreiheit, Brand- und Denkmalschutz, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint. Mehr als 50 Gäste gleichzeitig darf sie derzeit nicht einlassen, Planungssicherheit bestehe nur bis zum Sommer. Nur gut, dass Karl Valentin auch für solche Lebenslagen einen Aphorismus gedichtet hat: "Früher war selbst die Zukunft besser." Wir drücken die Daumen!

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