Erfahrungen aus der Fahrschule:"Der Prüfer hat mich gezwiebelt"

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Timothy Lush von der Band Kytes. (Foto: Max Bublak/oh)

Ärger, Aufwand, Abenteuer: Lilly Krug braucht drei Prüfungen, Bruno Jonas nur einen Einparkversuch. Fünf Münchnerinnen und Münchner berichten von ihrer Lehre hinter dem Lenkrad.

Protokolle von Philipp Crone, Martina Scherf und Stefanie Witterauf

Tränen und Ausraster

Musiker Timothy Lush, 31, von der Band Kytes : Seinen Führerschein hat Lush nach dem Abitur 2012 gemacht. Doch mit Verbrennern ist er nicht wirklich warm geworden, sondern hat sich bei der Fahrschule eher aus Gruppenzwang und Pflichtbewusstsein angemeldet. "Und für die Oma, die mir mal 100 Euro für den Führerschein zugesteckt hat", sagt er. "Aber ich habe es nie richtig gefühlt." Er war kaum mal ganz bei der Sache, habe sehr viele Fahrstunden gebraucht, aber einen netten Fahrlehrer gehabt, der ihn ermutigte, endlich die Fahrprüfung abzulegen. "Es war Winter und es hatte geschneit", sagt Lush. Als er eine durchgezogene Linie überfuhr, weil er sie nicht gesehen hat, war es vorbei. "Was war denn hier los? Sie können gleich zurückfahren", habe der Fahrprüfer gesagt und die Prüfung sofort abgebrochen. "Dann hatte ich einen Ausraster", sagt Lush. Noch im Auto habe er angefangen zu weinen, den Fahrprüfer als Arschloch bezeichnet und sei ausgestiegen, anstatt das Auto zurückzulenken. "Ich habe Drama gemacht und mich wegen meiner emotionalen Szene drei Monate nicht getraut, meinen Fahrlehrer zu kontaktieren", sagt er. Schließlich nahm er noch mal Fahrstunden, zahlte weitere 500 Euro und schaffte den Führerschein beim zweiten Versuch. Ganz ohne Tränen, dafür mit Schweiß. "Ich war so aufgeregt, dass alles geschwitzt hat. Mein Rücken, mein Gesicht, meine Hände."

Lilly Krug. (Foto: Manfred Baumann/oh)

Zwei verschiedene Fahrschulen

Lilly Krug, 22, Studentin und Schauspielerin: Bei einem Intensivkurs hat Lilly Krug zusammen mit ihrer besten Freundin innerhalb von zwei Wochen die Pflichttheorie- und Fahrstunden gemacht. Doch geendet hat das nicht mit dem Führerschein, denn die Fahrprüfung hat die damals 17-Jährige nicht absolviert. "Beim begleiteten Fahren hätte ich zwei Personen angeben müssen", sagt sie. Alleine Autofahren ist in Deutschland erst Volljährigen erlaubt. "Ich wusste nicht, wer mich da regelmäßig begleiten kann und zudem war ich zu sehr in mein Abitur eingespannt", sagt sie. Mit 18 machte sie die Fahrprüfung, beim zweiten Mal dann auch erfolgreich. Doch wird es nicht ihre letzte Fahrprüfung gewesen sein. "Autofahren zu dürfen, hat mir das Gefühl von Freiheit gegeben", sagt sie. Doch in München sei sie trotzdem mehr mit dem Rad und der U-Bahn unterwegs gewesen. Anders ist es nun in Kalifornien. Krug studiert Theater und Psychologie in Los Angeles. "Ohne Auto kommt man in L.A. nicht weit. Es gibt kaum öffentliche Verkehrsmittel", sagt Krug. Zur Uni sind es 45 Minuten Fahrt. Die Straßen sind größer, die Ampel bleibt länger gelb, und wenn sie rot ist, ist auch rechts abbiegen erlaubt. Das lernt Krug bei einer amerikanischen Fahrschule, denn wer dauerhaft in Los Angeles fahren will, der braucht eine kalifornische Fahrerlaubnis. Ihre dritte Fahrprüfung war mit vier Jahren Erfahrung kein Problem. "Nur der Papierkram hat mich fast aus der Bahn geworfen", sagt Krug.

Daniel Speck. (Foto: privat)

"Was machen S' denn da?"

Daniel Speck, Autor von "Bella Germania", in dem die Isetta eine Rolle spielt: "Ich war von Kind an ein großer Autofan", sagt Daniel Speck, "und konnte es kaum erwarten, dass ich den Führerschein machen durfte." Schon lange vor seinem 18. Geburtstag habe er sich durchs Austragen des Münchner Wochenblatts in Obermenzing das Geld dafür zusammengespart. Als es dann endlich so weit war, nahm er nur die Mindestzahl an Fahrstunden und wollte gleich die Prüfung machen. Er weiß noch, dass er in einem blauen Mitsubishi Pajero saß, vorn neben ihm der Fahrlehrer, hinten der Prüfer. An einer Kreuzung sollte er halten, die Straße war leicht ansteigend. Er zog die Handbremse, "das war ja damals noch ein richtiger Handzug" - und als er wieder losließ, um weiterzufahren, rollte der Wagen nach hinten. Da knallte eine Faust aufs Dach und eine Frau schimpfte: "San Sie blöd, was machen S' denn da?". Sie hatte mit ihrem Kinderwagen hinter ihnen die Straße überqueren wollen. "Ich dachte: Das war's jetzt", erzählt Speck. Aber sein Fahrlehrer rettete die Situation, indem er zurück schimpfte: "Ja so eine Kuh, wieso muss sie denn genau da über die Straße gehen? Die Fußgänger werden auch immer dümmer." Und der Prüfer? Unterschrieb das Dokument, reichte es Speck und sagte: Viel Glück. "Ich hab' mir dann bald mein erstes Auto gekauft, einen alten R4. Das brachte mich zwar in ein moralisches Dilemma, denn in der Schülerzeitung regte ich mich auf über die Umweltsünder, Waldsterben, saurer Regen, und so, es waren die Themen der 1980er-Jahre. Im Sommer nach dem Abi fuhren wir mit den Freunden in zwei Autos über die Alpen und in die Toskana. Dort begann meine Liebe zu italienischen Autos."

Bettina Gundler. (Foto: Florian Peljak)

"Das war die Wende in meinem jungen Leben!"

Bettina Gundler, Leiterin des Verkehrszentrums des Deutschen Museums auf der Theresienhöhe: "Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen, in der Nähe von Braunschweig, und der Führerschein bedeutete für mich: die Verheißung, mich als junge Frau endlich frei bewegen zu können", erzählt Bettina Gundler. An die Fahrstunden habe sie keine besondere Erinnerung, nur, dass der Fahrlehrer sehr humorlos war. Aber ihr Vater hatte vorher mit ihr geübt, deshalb fühlte sie sich ziemlich sicher. Bei der praktischen Prüfung hatte sie Respekt vor dem Anfahren am Berg, aber das habe dann auch geklappt. "In den 1970er-Jahren gab es ja auch längst nicht so viel Verkehr wie heute und noch nicht so viele Vorschriften." Gundlers Vater arbeitete bei VW, und die Eltern schenkten ihr zum 18. Geburtstag den Führerschein und dann bald einen orangefarbenen Käfer. "Das war die Wende in meinem jungen Leben! Ich fuhr von da an mit dem Auto in die Schule nach Braunschweig, musste nicht mehr um viertel vor sechs aufstehen, um den Bus zu erwischen und konnte jederzeit meine Freundinnen besuchen. Nach dem Abitur fuhren wir mit zwei Käfern und sieben Freundinnen und Freunden nach Portugal. Die erste große Reise, das war ein Abenteuer." Heute ist Bettina Gundler in ihrem Museum von vielen schönen alten Autos umgeben.

Bruno Jonas. (Foto: Stephan Rumpf)

Parken? In der Einbahnstraße, abschüssig, auf der linken Seite

Bruno Jonas, Autor und Kabarettist: "Als ich ins Fahrschulauto eingestiegen bin, konnte ich schon fahren. Das lag daran, dass ich 1969, als ich den Führerschein gemacht habe, schon einige Zeit meinen Vater regelmäßig vom Wirtshaus abholen musste." Der sei einmal in der Woche beim Skat-Spielen in der "Rose" gewesen und habe dann immer zu seinem Sohn gesagt: "Um elf holst mich ab." Damals sei auf den Straßen gerade abends in Passau auch noch nicht so viel los gewesen. "Und geübt hatte ich ohnehin schon, auf einem großen Parkplatz. In der Fahrschule bin ich dann eingestiegen und losgefahren." Der Fahrlehrer habe nur gesagt: "Sie können fahren." Jonas wollte vor allem von ihm wissen, wann er die Prüfung machen könne. "Ein paar Stunden müssen wir schon fahren", war die Antwort. "Bei der Prüfung bin ich dann offenbar ein bisschen zu selbstsicher aufgetreten. Auf jeden Fall hat mich der Prüfer dann etwas gezwiebelt und sich für das Einparken am Ende einen besonders schwierigen Ort gesucht: Einbahnstraße, abschüssig, auf der linken Seite. Aber, was soll ich sagen, es hat beim ersten Mal geklappt."

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