Ein längst in Gänze ausgeleuchtetes Popstar-Leben auf gerade mal 162 luftig beschriebenen Seiten zu verstauen, mag erst mal reichlich überambitioniert wirken. Und doch ist es kein biografisches Harakiri, was der spanische Akademiker Fran Ruiz und die Illustratorin María Hesse mit "Bowie - Ein illustriertes Leben" (Heyne Hardcore) betreiben, denn mit einer Biografie im herkömmlichen Sinne hat man es hier wahrlich nicht zu tun. Da ist allein schon der in der ersten Person berichtende Erzähler niemand geringerer als David Bowie höchstselbst. "Ich bin Major Tom. Ich bin Ziggy Stardust. Ich bin der Thin White Duke. Ich bin ein Außerirdischer", hebt dieser imaginierte Bowie also an, legt noch ein paar weitere seiner Rollen obendrauf, und schließt seine einleitende Vorstellung mit einem Satz, der in seiner Großmäuligkeit gleich mal Bowies ganze provokant-visionäre Superkraft umreißt: "Ich bin alles, was ihr euch nicht vorstellen könnt."
Was folgt, ist ein rasanter und prächtig illustrierter Ritt durch ein Künstlerleben, das im aschgrauen Nachkriegslondon beginnt und einem spätestens nach Bowies musikalischem Erweckungserlebnis - Little Richards' "Tutti Frutti" - in den schillerndsten Farben entgegen leuchtet. Spaß macht dabei nicht zuletzt die Verquickung von Fakten und Fiktion, mit der Ruiz und Hesse ihren Helden von seinem Weg in den Pop-Olymp erzählen lassen. Der Durchbruch mittels der Verwandlung in die androgyne Glamrock-Kunstfigur Ziggy Stardust? Bewirkt durch eine Traumbotschaft eines hedonistischen Außerirdischen. Die Schlägerei, die dazu führte, dass Bowie mit verschiedenfarbigen Augen in die Welt blickte? Ein fader Vorwand für ein Ereignis ungleich kosmischeren Ausmaßes. Mythisch überhöht wirkt dieser Lebensbericht dennoch nicht, dafür geht es bei aller Glorie auch viel zu tief hinein in die Schattenseiten dieser Karriere. Die stetige Angst um den schizophrenen Bruder, die endlosen Affären, die Lawinenfelder an Koks, die ihn in die völlige Paranoia treiben, der künstlerische Absturz in den späten Achtzigern - nichts, was hier verschwiegen bleibt.
Für Kristof Hahn, der die Biografie in zweiter Instanz aus dem Englischen übersetzt hat, ist es vor allem Bowies immens fruchtbare Schaffensphase in den Siebzigerjahren, die ihn selbst am meisten inspiriert hat. "Die Stimmung der in Berlin aufgenommenen Alben "Low" und "Heroes" färbte in gewisser Weise auch auf mein Bild der Stadt ab, das ich, als ich 1980 dort ankam, bestätigt fand", erinnert sich Hahn, der als Berliner Underground-Koryphäe auch Gitarrist der harschen Experimental-Rockband Swans ist. Im Ampere wird er nun zusammen mit Jesper Munk, der mit seinem Album "Favourite Stranger" zuletzt selbst eine astreine musikalische Wandlung vom rauen Blues-Rock zum samtenen Crooning hinlegte, neben der Lesung auch Songs aus ebendieser Dekade spielen; auch solche, die Bowie selbst gecovert oder produziert hat. Vielleicht ja "Lust for Life", das er 1977 mit seinem Herzensfreund und zwischenzeitlichem WG-Mitbewohner Iggy Pop in den Berliner Hansa-Studios einspielte und produzierte? Passen würde es.
Bowie Night , Dienstag, 6. Oktober, 18.45 Uhr, Ampere, Zellstraße 4