Hommage:Funken aus dem Jenseits

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Bob Kaufman, hier im Caffe Trieste in San Francisco, gilt als Erfinder des Begriffes Beatnik. (Foto: Morr Music)

Auf dem Album "All These Streets I Must Find Cities For" würdigen der Hörspielmacher Andreas Ammer, die "The Notwist"-Brüder Acher und Leo Hopfinger als "The Plastik Beatniks" den einflussreichen US-amerikanischen Beat-Poeten Bob Kaufman. Sogar Patti Smith lieferte einen Beitrag dafür ab.

Von Martin Pfnür

Denkt man an die Beat Generation, so kommen einem wohl als erster Jack Kerouac und seine ebenso rasende wie rasend erfolgreiche Ur-Road-Novel "Unterwegs" in den Sinn. Sehr wahrscheinlich auch der rauschebärtige Allen Ginsberg und sein großes Klagegedicht "Howl" oder der durchgeknallte Cut-Up-Spezialist William S. Burroughs und sein fiebriger Junkie-Roman "Naked Lunch". Womit auch schon die drei Schwergewichte einer literarischen Gegenkultur genannt wären, die in ihrer Ablehnung des piefigen amerikanischen Wertekatalogs der Fünfziger, in ihrem Anti-Materialismus und ihrem rauschhaften Streben nach Transzendenz und sexueller Befreiung bereits vieles von dem vorwegnahm, was auch die Hippies ein Jahrzehnt später propagierten. Dabei machen drei Schwergewichte allein freilich noch keine Generation aus. Sie überstrahlen heute vielmehr das, was die Beat Generation zur Beat Generation gemacht hat, nämlich ein vielstimmig durcheinander tönender Chor voller talentierter Freaks, die längst weitestgehend im Schatten der großen drei stehen.

Bewährtes Dreigespann: Markus Acher, Andreas Ammer und Micha Acher (von links) arbeiteten schon häufiger zusammen (hier 2016 bei "The King is gone"). Diesmal kam Leo Hopfinger alias LeRoy dazu. (Foto: Andreas Ammer)

Auf einen dieser fast Vergessenen fiel jedoch bereits vor zwei Jahren wieder etwas Licht. "Thank Bob For Beatniks" hieß das famose musikalische Hörspiel (kostenlos nachzuhören in der BR-Mediathek), mit dem sich der Hörspielmacher Andreas Ammer zusammen mit den Musikern Markus und Micha Acher von The Notwist (als rumpeljazzende Drummer und Bläser) und Leo Hopfinger alias LeRoy (als Sample- und Loop-Beauftragter) auf die Spuren von einem begab, der einst gar die Wortschöpfung Beatnik in die Welt gesetzt haben soll. Bob Kaufman, 1925 in New Orleans als zehntes von 13 Kindern eines jüdischen Vaters mit deutschen Wurzeln und einer katholischen Mutter aus Martinique geboren, war zu seiner Hochphase im San Francisco der späten Fünfziger- und frühen Sechzigerjahre nichts weniger als der Inbegriff eines Straßenpoeten. Einer, der seine ebenso vom Surrealismus wie vom spontanen Improvisationscharakter und der Synkopik des Jazz geprägten Gedichte lieber Passanten und Bar-Besuchern ins Gesicht deklarierte, als sie aufzuschreiben. Einer, bei dem die Assoziationsfunken derart wild herumstoben, dass er im US-Hip-Hop als eine Art Urvater des Freestyle-Raps gilt. Und einer, für den die Möglichkeit spiritueller Erweckung durch Poesie eine solch greifbare Sache zu sein schien, dass er sich als "öffentliches Ärgernis" auch von dutzenden Festnahmen und Gefängnisaufenthalten nicht vom Performen abbringen ließ.

Straßenpoet: Bob Kaufman in San Francisco. (Foto: Morr Music)

Für Andreas Ammer ist die Lyrik des 1986 verstorbenen Kaufman denn auch "spoken word at it's best, Sound pur", wie er sagt. Man habe die Gedichte letztlich gar nicht im mehr im interpretatorischen Sinne vertonen müssen, denn "sie waren schon ganz Ton. Das merkt man in jeder der Rezitationen, aber besonders natürlich in Bobs eigenen Lesungen, die wir nach einer langen Suche gefunden haben." Tatsächlich liegt da ein markanter tänzelnder Flow im Rhythmus von Kaufmans Zeilen, die vom Hörspiel "Thank Bob For Beatniks" nun auch ihren Weg auf das Album "All These Streets I Must Find Cities For" gefunden haben. Sind sie auf ersterem noch poetische Mosaiksteine einer erzählerischen Spurensuche, die einen von den ausgetretenen touristischen Pfaden des San Francisco der Jetztzeit zurück zu Kaufman in die Beatnik-Ära führt, so stehen sie auf dem extrahierten Album unter dem Projektnamen The Plastik Beatniks ganz im Zentrum des Geschehens.

Patti Smith beim Jazzfestival in Montreux. (Foto: imago/PanoramiC)

Da ist neben Kaufmans eigener brüchiger Stimme vor allem jene der Sängerin und Jazz-Klarinettistin Angel Bat Dawis, die seine surrealistischen Panoramen etwa im "Bagelshop Jazz" zum Glühen bringt, in dem er in die aufgeladene nächtliche Atmosphäre eines beliebten Beatnik-Treffpunkts eintaucht. Da ist die genreverbindende Musikerin und Aktivistin Moor Mother, die mit Kaufmans "War Memoir" dessen politische Seite aufzeigt und dabei zu treibenden Drums eine beklemmende Düsternis entfaltet. Und da ist, begleitet vom melancholischen Klang eines Harmoniums, tatsächlich auch die "Godmother of Punk" Patti Smith, die als Lyrikerin wesentlich von den Beat-Poeten inspiriert wurde und auch freundschaftlich mit Allen Ginsberg verbunden war. "Yes I will" antwortete sie spontan auf eine Mail-Anfrage Andreas Ammers, ob sie mit "Ginsberg (for Allen)" ein Gedicht für das Projekt rezitieren wolle, das Kaufman dem gemeinsamen Freund einst auf den Leib schrieb.

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Der wiederum wäre nicht der charmante schwule Brummbär Allen Ginsberg, wenn er sich hier nicht ebenfalls per Sample aus dem Jenseits bei Kaufman für dessen lyrische Würdigung revanchieren würde. In "What He Looks Like?", zusammengestückelt aus einem Interview mit dem Beat-Chronisten Raimond Foye, preist er den jungen Kaufman derart schwärmerisch als einen "beautiful guy" mit gemeißelten Gesichtszügen und glatter Haut, so "handsome" und "noble looking", dass dabei wohl irgendwo im Dichter-Himmel jemand gehörig in Verlegenheit gerät.

" All These Streets I Must Find Cities For" erscheint am 29. April via Morr Music

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