Stummfilm mit Musik:Vielsagende Blicke

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"Blind Husbands", 1919 uraufgeführt, war Erich von Stroheims erster Film. (Foto: Österreichisches Filmmuseum)

Erich von Stroheims Stummfilm "Blind Husbands" mit Live-Musik im Schwere Reiter.

Von Klaus Kalchschmid

Erich von Stroheim führte bei "Blind Husbands", 1919 uraufgeführt in Washington, erstmals Regie: Ein amerikanischer Arzt und seine Frau machen Urlaub in den Dolomiten. Ein Leutnant der österreichischen Armee, brillant gespielt von Stroheim selbst, macht allen Frauen unverhohlen den Hof, vor allem der Gattin des Doktors, die er schon in der Kutsche zur Herberge mit Monokel lüstern beäugt. Als der Arzt mit dem Offizier einen Berg über einen Steilhang besteigt, kommt es zum Showdown und ein vermeintlicher Liebesbrief hat tödliche Folgen.

Stroheims erster Film, dem bis 1933 "Foolish Wives", "Greed", "The Merry Widow" oder "Queen Kelly" folgten, ist ein Meisterwerk und von allen der am wenigstens gekürzte und verstümmelte. Subtil und sehr real wechseln Szenerien wie Dorfplatz oder Wald, enge Bergstube oder Gebirge, die Einstellungen der Kamera wie der Figuren vielsagende Blicke.

Die Musik folgt seismografisch den einzelnen Sequenzen

2006 veröffentlichte das Österreichische Filmmuseum eine restaurierte Fassung mit deutschen Zwischentiteln auf DVD. 2018 war diese älteste und längste erhaltene Fassung des Films Grundlage einer exzellenten 4K-Restaurierung unter Verwendung der oft mit Zeichnungen aufwendig gestalteten amerikanischen Zwischentitel.

Die Premiere dieser Version mit neuer Musik von Andreas Eduardo Frank fand im Oktober 2021 in Wien statt als Auftrag vom dortigen Konzerthaus, Arte und der Elbphilharmonie. Es spielte die erweiterte Stammbesetzung des ensemble recherche (Flöte, Oboe, Klarinette, Geige, Bratsche, Cello, Schlagzeug und Klavier) mit Kontrabass und Trompete, die zum Instrument des österreichischen Offiziers wird.

Franks großartig konzertante (Kammer-)Musik folgt, ohne Handlung oder Bilder zu verdoppeln, seismografisch den einzelnen Sequenzen, anfangs enorm nervös und vielfach Duktus und Struktur wechselnd. Im Mittelteil, der die einzelnen Stufen der Verführung beschreibt, wölbt die Musik größere Bögen, um schließlich auf dem Berg wieder minutiös innerhalb eines stetigen Flusses Charakter und Faktur permanent zu wechseln, damit gegeneinander geschnittene parallele Handlungen sich auch musikalisch voneinander absetzen. Der/ferne/Klang spielt im Schwere Reiter zur restaurierten Fassung von "Blind Husbands" live die Musik von Andreas Eduardo Frank unter Nancho de Paz, der sie auch bei der Uraufführung dirigierte.

Blind Husbands, Freitag, 16. Dezember, 20 Uhr, Schwere Reiter, Dachauer Str. 114

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