Die Bayernpartei ist die am stärksten wachsende Fraktion im Münchner Stadtrat. Von der Kommunalwahl 2014 bis heute steigerte sie ihr Personal immerhin um 500 Prozent. Seit am Montag Andre Wächter den Wechsel von den Liberal-Konservativen Reformern (LKR) verkündet hat, verfügt sie über sechs Stadträte. Gewählt für die Bayernpartei wurde 2014 nur Richard Progl, die anderen kamen nach und nach von der SPD, den Freien Wählern, der CSU und nun der LKR dazu. Trotzdem betont Fraktionschef Johann Altmann, dass er im Stadtrat keinem Zweckbund von Einzelkämpfern vorsitze, sondern alle zusammenarbeiteten "wie eine Familie". Die SZ stellt die Patchwork-Truppe vor.

An der Spitze der Fraktion steht Johann Altmann, der seit 2002 dem Stadtrat angehört. Damals zog er für die CSU in das Gremium ein, wechselte aber nach vier Jahren zu den Freien Wählern. Nach Ärger mit deren Stadtchef Michael Piazolo, dem heutigen bayerischen Kultusminister, zog er im März 2016 zur Bayernpartei weiter. Der 64 Jahre alte frühere Polizeibeamte gilt als umgänglicher Typ, im Stadtrat ist er berühmt für seinen Lieblingssatz: "Erklärung wie im Ausschuss."
Den lässt er in jeder Vollversammlung los, wenn seine Fraktion einer Beschlussvorlage nicht zustimmt, was relativ oft vorkommt. Oft sind es die Kosten für ein Projekt des schwarz-roten Regierungsbündnisses, die den Ausschlag geben. Altmann hat auch diese im Blick, neben seinem Engagement in der Stadtplanung, bei Wohnen und Verkehr hält er auch die Haushaltsreden für die Bayernpartei. Oft ärgert es ihn, wenn er nach Oberbürgermeister und Kämmerer sowie den Vorsitzenden der großen Fraktionen erst gegen Ende der Sitzung zu Wort kommt und er gegen den steigenden Lärmpegel im Saal ankämpft. Der Zuwachs in der Fraktion wird nicht nur mehr Sitze in den Stadtratsausschüssen bringen, sondern auch den sicheren vierten Redeplatz auf der Liste der Fraktionsvorsitzenden.
Richard Progl hat als Einziger seiner Fraktion keinen weiteren Zusatz hinter seiner Parteizugehörigkeit. Da steht Bayernpartei, nichts als Bayernpartei. Das hat einen einfachen Grund: Progl ist das Original in der Sechser-Gruppe. Der 39 Jahre alte Betriebswirt setzt sich nicht nur für die bayerische Tradition und Sprache ein, er lebt beides auch. Er sitzt im Kreisverwaltungs- und im IT-Ausschuss. Dort beschäftigt er sich unter anderem mit der Digitalisierung, zudem ist er sogenannter Korreferent des Stadtrats für das IT-Referat.

Genervt reagiert er auf die "Radl-Dogmatik" der Grünen, einem Virus, von dem er wie seine Fraktion auch zunehmend die SPD befallen sieht. Um die Autofahrer und darunter die Diesel-Fraktion vor diesen Gegnern zu schützen, fordert Progl aktuell die sofortige Aufhebung der geltenden Abgaswerte für Feinstaub und Kohlendioxid, bis diese wissenschaftlich untersucht seien.
Die einzige Frau in der Fraktion der Bayernpartei ist Eva Caim. Sie wechselte im Frühjahr 2016 aus Frust und Ärger von der CSU zur Bayernpartei. Die gelernte Krankenschwester, 71, sitzt seit 1996 im Stadtrat und setzt sich seither vor allem in der Gesundheitspolitik ein. Als nach der Kommunalwahl 2014 in der CSU der habilitierte Arzt Hans Theiss immer mehr Akzente auf ihrem Feld setzte und die beiden sich inhaltlich oft nicht einig waren, brach sie mit ihrer langjährigen politischen Heimat. Speziell bei der Sanierung der städtischen Krankenhäuser und beim Umgang mit dem Personal hatte Caim immer wieder eine andere Meinung als die CSU.

Mit Caim zog es 2016 auch Mario Schmidbauer von der CSU zur Bayernpartei. Der gelernte Handelsfachwirt widmet sich der Wirtschaftspolitik, besonders auch den kleinen Unternehmen. Daneben sitzt er im Ausschuss für Bildung und Sport. Eine seiner großen Leidenschaften, auch politisch, ist das Oktoberfest. Nur zu gern wäre er in der CSU Wiesn-Stadtrat geworden, doch dafür fand er keine Mehrheit. Der Ärger darüber dürfte ein Hauptgrund für seine Flucht zur Bayernpartei gewesen sein. Schmidbauer regt sich besonders gerne über die Grünen auf, insbesondere dann, wenn er sich und die bayerische Lebensart von der Umweltpartei bevormundet sieht. Was ziemlich oft geschieht.
Von der SPD lief Josef Assal, 60, zur Fraktion der Bayernpartei über. Allerdings war Assal eine Zeit lang parteilos und wollte bei den Freien Wählern anheuern. Doch diese wollten ihn nicht. Eigentlich hatte ihn auch die SPD schon vor der Wahl 2014 nicht mehr gewollt und ihn sehr weit nach hinten auf die Liste gestellt. Doch die Bürger goutierten das nicht und häufelten ihn in den Stadtrat. Dort beschäftigte sich der langjährige Feuerwehrnotarzt mit der Sozialpolitik. Auf diesem Feld unterstützt er nun auch die Fraktion der Bayernpartei.

Der jüngste Zugang zur Bayernpartei ist der am wenigsten Münchnerische. Der 45 Jahre alte Banker Andre Wächter ist in Coburg geboren, sprachlich ist er eher seiner Heimat treu geblieben als dass er das Bairische aufgenommen hätte. Er fühlt sich vom konservativen-bürgerlichen Programm angezogen, auch die Euro-Skepsis der Bayernpartei dürfte ein Argument für den Wechsel gewesen sein. Die Kritik an der gemeinsamen Währung in Europa war und ist sein Thema. Deshalb trat er einst in die AfD ein, die er wieder verließ, als die extrem rechten Kräfte die Überhand gewannen.
Danach schloss er sich den Liberal-Konservativen Reformern an, die er aber mangels Resonanz und Erfolg vor der Auflösung sieht. Wächter sagt, er habe zwei Möglichkeiten gesehen: die Zeit im Stadtrat in der Bedeutungslosigkeit abzusitzen oder in einer Fraktion noch ein Jahr lang zu versuchen, die Politik zu beeinflussen. Besonders seine wirtschafts- und finanzpolitische Kompetenz würde er gerne einbringen. Drei Sitze für die Bayernpartei bei der Kommunalwahl müssten das Ziel sein, sagt Wächter. Dabei wolle er helfen, auch wenn ihm klar sei, dass Altmann, Progl und Schmidbauer alle Chancen besäßen, diese einzunehmen.