Bauprojekt:Aschheims Bürger entscheiden über Schlachthof

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Beim Infonachmittag zum geplanten Schlachthof protestierten Tierschützer mit einem Transparent gegen die Pläne. (Foto: Alessandra Schellnegge)
  • Anfang 2015 war ein Investor mit einem Angebot an die Gemeinde Aschheim herangetreten: An der A 99 soll auf elf Hektar ein moderner Schlachthof entstehen. 7000 Schweine und 1500 Rinder sollen jede Woche geschlachtet werden.
  • Anwohner fürchten Gestank und Lärm durch Schlachthof und Lieferverkehr. Natur- und Tierschützer sowie umliegende Gemeinden schlossen sich dem Protest an.
  • Nun stimmen die Bürger darüber ab, ob der Schlachthof kommt oder nicht.

Von Irmengard Gnau

Noch blicken Besucher des XXXLutz auf eine Brache, wenn sie vom Parkplatz des Möbelhauses den Blick nach Süden zum Heimstettener See schweifen lassen. Am 9. Oktober wird sich entscheiden, ob das so bleibt - oder ob auf dem gut elf Hektar großen Grundstück am Autobahnring A 99 bald jede Woche bis zu 7000 Schweine und 1500 Rinder angeliefert, geschlachtet und verarbeitet werden.

Das plant der Fleischhändler Albert Oppenheim aus Nordrhein-Westfalen. Er will in Aschheim ein Schlachtzentrum für Metzger aus der Region errichten, auch Betriebe des Münchner Schlachthofs könnten in den Landkreis abwandern.

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Vorausgesetzt, die Aschheimer sind für den Plan zu haben. Am Sonntag stimmen sie bei einem Bürgerentscheid darüber ab, ob sich der Schlachthof ansiedeln darf oder nicht. Thomas Glashauser dürfte froh sein, wenn der Termin vorüber ist. Seit 2014 ist der 41-jährige CSU-Politiker Bürgermeister von Aschheim. Sein Job im Rathaus war allerdings schon einmal komfortabler. In den vergangenen Monaten hat der Schlachthof tiefe Gräben gerissen zwischen den Aschheimern, die Stimmung im Ort ist angespannt.

Anfang 2015 war Oppenheim mit seinem Angebot an die Gemeinde herangetreten. Der gelernte Metzger ist seit 40 Jahren im Fleischgewerbe aktiv und gilt als gut vernetzt in der Branche. Er verspricht auf der Fläche, die etwa drei Kilometer vom Aschheimer Ortskern entfernt liegt, "die modernste Einrichtung dieser Art in Deutschland".

Als Bauherr tritt die Firma Opus Munich auf, eine GmbH und Co. KG, deren Geschäfte von Oppenheim und dem Briten John Roland Pickstock geführt werden. Die Pickstock-Gruppe, ein internationales Unternehmen mit Sitz im britischen Shropshire, das in der Lebensmittel-, Bau- und Immobilienbranche aktiv ist, wird als Projektentwickler aufgeführt, der die etwa 150 bis 160 Millionen Euro teure Anlage auf der grünen Wiese errichten soll.

Betrieben werden soll der fertige Schlachthof von mehreren mittelständischen Metzgereibetrieben, die je nach Verhandlungen Mieter oder selbst Eigentümer der Anlage werden. Die Metzger, stellt Oppenheim in Aussicht, sollen allesamt aus der Region stammen - zumindest ein Teil von ihnen könnten Betriebe vom Münchner Schlachthof sein, die nach seiner Aussage bereits planten, ihren Sitz nach Aschheim zu verlegen. Namen könne er jedoch keine nennen, sagt Oppenheim und verweist auf laufende Verhandlungen.

Die Viehlieferanten, wirbt er, müssten dann nicht mehr durch die Münchner Innenstadt über Kopfsteinpflaster bis zur Zenettistraße rumpeln, sondern könnten über einen Zubringer direkt von der A 99 zum Schlachthof gelangen. Das sei auch im Sinne des Tierwohls. Aschheim hingegen könne mit dem Schlachthof mittelständische Betriebe als Gewerbesteuerzahler gewinnen.

Oppenheim spricht inzwischen von "mindestens zehn", anfangs war von 20 die Rede gewesen. Wenn der Betrieb läuft, werde der Schlachthof jährlich etwa 250 Millionen Euro umsetzen und Aschheim Gewerbesteuereinnahmen von 2,5 Millionen Euro bescheren. Zudem entstünden bis zu 400 Arbeitsplätze in der Fleischverarbeitung und der Verwaltung.

Aussichten, die die Mehrheit des Aschheimer Gemeinderats überzeugten. Man wurde sich handelseinig, Absprachen mit den Grundstückseigentümern wurden getroffen, ein Bebauungsplan vorbereitet. Doch die Investoren und Politiker hatten die Rechnung ohne die Aschheimer gemacht. Ende April präsentierte Glashauser das Projekt bei der Bürgerversammlung - noch siegessicher. Im Ort aber brach ein Entrüstungssturm los.

Binnen weniger Tage sammelten Anwohner mehr als 1600 Unterschriften für ein Bürgerbegehren gegen die Ansiedlung und erzwangen so einen Bürgerentscheid. Sie fürchten Gestank und Lärm durch einen Schlachthof und den zugehörigen Lieferverkehr, zudem eine Abwertung ihres Wohnumfelds.

Dem Protest haben sich inzwischen auch Anwohner aus den umliegenden Kommunen, Tierschützer und Naturschutzverbände sowie der Kreisverband der Grünen angeschlossen. Im Juli demonstrierte die Münchner Gruppe Animals United vor dem Aschheimer Rathaus gegen die kommerzielle Übernutzung von Tieren und Umwelt.

Auch der Gemeinderat der Nachbarkommune Kirchheim, deren Ortsteil Heimstetten etwa 500 Meter Luftlinie vom geplanten Schlachthof-Standort entfernt liegt, hat sich in einem offenen Brief geschlossen gegen das Projekt positioniert. Kirchheims Bürgermeister hat bei der Regierung von Oberbayern ein Raumordnungsverfahren angefordert, das prüfen soll, inwieweit negative Auswirkungen auf die Umgebung zu erwarten sind.

Investor Albert Oppenheim und Aschheims Bürgermeister Thomas Glashauser beim Ortstermin. (Foto: Claus Schunk)

Aschheims Kommunalpolitiker wurden von der Wucht der Ablehnung geradezu überrannt. Viele Bürger fühlen sich von ihnen hinters Licht geführt, weil die Verhandlungen mit dem Verweis auf das Persönlichkeitsrecht der Grundstückseigner ein Jahr lang unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt wurden. Auch nach Bekanntwerden der Pläne hat sich die Gemeinde zurückgehalten und der Initiatorenseite um Oppenheim die Auskunftspflicht zugeschoben.

Die aber gab Informationen nur stückchenweise heraus. Auf Seiten der Gegner wuchsen Ängste und Spekulationen. Sie zweifeln die Einnahmen, die Oppenheim in Aussicht stellt, stark an, auch die verflochtene Firmenstruktur von Opus Munich erweckt bei einigen Misstrauen. Die Beteiligung der internationalen Pickstock-Gruppe schürt die Befürchtung, das Hauptinteresse des Geschäfts seien die frei werdenden Flächen im Münchner Schlachthofviertel und ein Großbetrieb könne die Anlage in Aschheim am Ende übernehmen.

Diese Ängste zu entkräften, ist weder den Investoren noch der Gemeinde bislang gelungen. "Wir sind den Schlachthof wie einen normalen Gewerbebetrieb angegangen und haben unterschätzt, was das Thema bei den Bürgern auslöst", sagt Achim Jänsch, langjähriger Aschheimer SPD- Gemeinderat. Inzwischen sind die Fronten verhärtet, auch Oppenheim ist frustriert. Man sei nach Aschheim gekommen, weil man ein deutliches, zustimmendes Signal von der Gemeinde erhalten habe, betont er. Dieser Eindruck bröckelt angesichts des Widerstands der Bürger.

Auch der Gemeinderat ist zerstritten: Die Fraktion der Freien Wähler, die den Schlachthof zunächst mitgetragen hatte, hat sich an die Spitze der Opposition gestellt. Oppenheim will das Projekt gleichwohl nicht aufgeben. Mithilfe einer PR-Agentur hat er eine große Werbekampagne gestartet, um die Stimmung noch zu seinen Gunsten zu wenden.

Die Kommunalpolitiker in Aschheim wünschen sich vor allem eine hohe Beteiligung und ein klares Votum beim Bürgerentscheid. "Eine knappe Mehrheit für den Schlachthof wäre das Schlimmste", sagt Jänsch. Der Schlachthof droht das politische Klima in der Gemeinde sonst weit über den 9. Oktober hinaus zu vergiften.

© SZ vom 05.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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