Verkehrsprojekt in Aubing:"Aubing darf nicht mit Verkehr geflutet werden"

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Noch grasen hier Kühe: Westlich von Altaubing und nördlich von Freiham soll ein neues Wohngebiet sowie die Anbindungsstraße zwischen Aubing und Freiham entstehen. (Foto: Robert Haas)

Eine weitere neue Verbindungsstraße ist für die Anwohner und Lokalpolitiker zu viel. Sie fürchten den Verkehrskollaps. Stadtplaner dagegen erwarten eine Entlastung des Ortskerns.

Von Ellen Draxel

Dieses Verkehrsprojekt bringt Aubing in Rage. Denn dass westlich von Altaubing ein neues Quartier mit mindestens 1200 Wohnungen für rund 3100 Menschen entstehen soll, hat Folgen auch für die Nachbarn. Die neuen Bewohner sollen sich direkt an einer neu zu bauenden Nord-Süd-Trasse zwischen der Aubinger Allee und der Eichenauer Straße ansiedeln, die Aubing künftig mit dem neuen Stadtteil Freiham verbinden soll - im Viertel auch bekannt als "Variante 6".

Mehr Menschen, mehr Verkehr und mit einem weiteren Projekt zusätzlich zum Neubauviertel Freiham nun noch mehr Probleme - so ist die Stimmung im Stadtviertel. "Das Volk möchte die Variante 6 nicht. Aubing darf nicht mit Verkehr geflutet werden. Und es macht uns wütend, dass wir von der Stadtverwaltung bisher nicht gehört wurden." Der das sagt, ist bei der Bürgervereinigung Aubing-Neuaubing zuständig für Verkehrsfragen. Andreas Schweinzer spricht aus, was rund hundert Gäste denken, die die jüngste Sitzung des Aubinger Bezirksausschusses (BA) wieder einmal zum Aufregertermin machten.

Dabei sind sie sich zumindest einig mit ihren Stadtviertelvertretern. Auch die Mitglieder des Bezirksausschusses Aubing-Lochhausen-Langwied stehen dem neuen Vorhaben sehr kritisch gegenüber. "Das gibt einen Verkehrskollaps auf lange Sicht, der den Stadtbezirk schlicht überfordern wird", glaubt Roland Jung von der Fraktion Freie Wähler/ÖDP. "Wir ersaufen im Verkehr wie unter einem Tsunami." Tosender Beifall im Saal. "Eine Erschließungsstraße, okay, aber keine Straße, die zusätzlichen Verkehr von außen reinschwemmt. Das ist für uns indiskutabel", sagt auch Grünen-Sprecherin Dagmar Mosch. Für solch ein Vorhaben, ergänzt die CSU, fehle die Infrastruktur: "Ohne die U-Bahn können wir keine neuen Wohnungen mehr realisieren", betont Gremiums-Chef Sebastian Kriesel (CSU). "Und wir brauchen mehr Nahversorgung, mehr Schulen, mehr Erholungsraum, mehr Ärzteversorgung."

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Vertreter der Stadt sind an diesem Abend gekommen, um den Entwurf einer Beschlussvorlage zu erläutern, die voraussichtlich im Februar dem Stadtrat vorgelegt werden soll. Das Papier impliziert die Anbindung Freihams an Aubing, die aus Sicht der Verfasser wichtig ist, weil sie "das Zusammenwachsen der beiden Stadtteile sowohl in räumlicher als auch sozialer Hinsicht" ermöglichen soll. Zudem habe eine Machbarkeitsstudie "gute Entlastungswirkungen für den Ortskern Aubing" aufgezeigt. Auch wenn manche Straßen bei diesem Konzept durchaus zusätzlichen, aber "vertretbaren" Belastungen ausgesetzt seien.

Eine Durchfahrtssperre ist bereits 40 Mal durchbrochen worden

"Wir ziehen hier keinen Verkehr rein", betont Robert Adam vom Mobilitätsreferat in der Sitzung. Freiham werde "sehr mutig" gebaut, mit Anwohnergaragen und Mobilitätshäusern und einem eigenen Autobahnanschluss, um Durchgangsverkehr zu minimieren. "Aber wir brauchen diese neue Trasse trotzdem, weil die Leute sonst über die Pretzfelder oder die Wiesentfelser Straße fahren werden." Was sie schon heute tun: Eine Schranke in Verlängerung der Pretzfelder Straße, die die Durchfahrt eigentlich verhindern soll, ist bereits 40 Mal durchbrochen worden.

"Wie diskutieren seit 2013 über diese Anbindung und haben uns als Bezirksausschuss schon damals vehement dagegen gestellt", gibt der BA-Vorsitzende Kriesel zu bedenken. Inzwischen seien seine Zweifel noch gestiegen, "denn es funktioniert doch nicht, wie Sie sehen". Nicht einmal dieses Durchfahrtsverbot hinter der Pretzfelder Straße sei durchzusetzen. Kriesel befürchtet aufgrund der Mobilitätsplanung für Freiham ein "Zulaufen" der angrenzenden Wohngebiete. Und das werde sich mit dem zusätzlichen Quartier, der sogenannten Potentialfläche an der Eichenauer Straße, wie die Stadtplaner den Noch-Acker zwischen Altaubing, der nördlichen Grenze Freihams und dem Autobahnring A99 nennen, noch fortsetzen.

"Aubinger Lohe und Moosschwaige sind jetzt schon total überlaufen"

Es gibt Stimmen wie die der ÖDP im Stadtrat, die die Potentialfläche aufgrund ihrer Lage in einer Frischluftschneise überhaupt nicht bebaut wissen wollen. Andere, wie Aubings Stadtteilgremium und zwei CSU-Stadträtinnen, fordern, die Siedlung frühestens nach der vollständigen Realisierung des Landschaftsparks Freiham zu errichten - um den Bewohnern des Münchner Westens, darunter allein die rund 30 000 Menschen, die einmal nach Freiham ziehen, ausreichend Erholungsflächen bieten zu können. "Denn die Aubinger Lohe und die Moosschwaige sind jetzt schon total überlaufen", erklärt Lokalpolitiker Manfred Spannagl (CSU).

Die Antwort von Maria Graf, der Projektleiterin für Freiham im Planungsreferat: "Flächen zu ignorieren, die für geförderten Wohnungsbau zur Verfügung stehen, ist angesichts des Bedarfs an bezahlbarem Wohnraum nicht unsere Zielsetzung." Alles andere - klimatische Auswirkungen, Lärmimmissionen, Schulversorgung, auch die Dichte der Bebauung - werde ohnehin im Zuge des Verfahrens untersucht.

Aubings Lokalpolitiker haben ihre Stellungnahme zum Projekt auf die November-Sitzung vertagt. Sollte der Stadtrat der Vorlage zustimmen, ist der Planungswettbewerb für 2024 avisiert.

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