Asylbewerber in Bayern:Hochgradig ansteckend

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Zusammengepfercht: Neu ankommende Asylbewerbern sind, wie hier in der Bayernkaserne, derzeit erheblichen Belastungen ausgesetzt . (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Vierter Masernfall in der Bayernkaserne: Die Behörden haben den Aufnahme- und Verlegungsstopp für die Münchner Einrichtung verlängert. Damit verschärfen sich die Probleme bei der Unterbringung von Flüchtlingen.

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Ein weiterer Asylbewerber, der in der Erstaufnahmeeinrichtung in der ehemaligen Bayernkaserne lebt, ist am Sonntag mit Fieber in eine Klinik gekommen. Der 23-Jährige ist ebenso wie drei junge Männer zuvor an Masern erkrankt. Der nach den ersten drei Fällen verfügte Aufnahme- und Weiterverlegungsstopp in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber bis einschließlich zum 9. September muss nun um zwei Tage verlängert werden, um so die Inkubationszeit für einen Ausbruch abzudecken.

Auf diese Weise soll eine mögliche Ausbreitung der hoch ansteckenden Krankheit vermieden werden. Zusätzlich plant das Münchner Gesundheitsamt nun ein "abgestuftes Riegelimpfungsverfahren". In einer ersten Stufe sollen dazu Kinder im Alter bis zu zwei Jahren gegen Masern geimpft werden, sofern die Eltern einwilligen. In einer zweiten Stufe soll dann den 16- bis 30-Jährigen die Impfung angeboten werden, weil in dieser Altersgruppe oft Impflücken bestehen.

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Die Aufnahmesperre der mit mehr als 2000 Flüchtlingen belegten größten bayerischen Erstaufnahmeeinrichtung verschärft die Probleme bei der Unterbringung weiter. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat gerade erst seine monatliche Prognose für die Flüchtlingszahlen erneut erhöht: Im Mai rechnete die Behörde bundesweit noch mit 12 000 bis 14 000 Asylbewerbern, nun erwartet das Bundesamt 16 000 bis 18 000.

Deutlich mehr Asylanträge als im Vorjahr

Bis zum 15. August sind in diesem Jahr 92 000 Asylanträge eingegangen, das sind fast 60 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Experten halten die neue Prognose sogar für eine sehr konservative Schätzung, angesichts der Entwicklungen im Irak und in Syrien. Denn schon im Juli kamen mehr als 16 000 Asylbewerber in die Bundesrepublik, während es im Mai noch knapp mehr als 11 000 waren.

Aufgrund des bundesweit geltenden Verteilungsschlüssels muss sich Bayern darauf einstellen, monatlich jeweils 2400 bis 2700 Asylbewerber aufzunehmen, ein Drittel davon käme nach Oberbayern.

Die Regierung von Oberbayern hatte am vergangenen Freitag auf Empfehlung des städtischen Gesundheitsreferats einen Aufnahme- und Weiterverlegungsstopp für die Münchner Erstaufnahmeeinrichtung verhängt. "Wir arbeiten mit Hochdruck an verschiedenen Lösungen, um die Erstaufnahme am Laufen zu halten", sagte ein Sprecher. Bei drei Asylbewerbern im Alter zwischen 25 und 27 Jahren waren Masern aufgetreten.

Zwei der betroffenen Bewohner waren im Krankenhaus und konnten inzwischen entlassen werden, der dritte Patient befindet sich noch in der Klinik. "Eine akute Gesundheitsgefahr für die Münchner Bevölkerung besteht nicht", betonte das Gesundheitsreferat. Menschen, die Masern einmal "sicher durchgemacht" hätten, blieben immun. Wer Kontakt zu einem Masern-Kranken hatte, könne eine Impfung noch bis zu drei Tage danach zum Schutz nachholen.

Ob die Patienten sich in ihren Heimatländern, auf der Reise nach Deutschland oder in der Bayernkaserne angesteckt haben, konnte das Gesundheitsreferat nicht klären. Nach dem Asylverfahrensgesetz müssen Asylbewerber, die neu in die Aufnahmeeinrichtung kommen, eine ärztliche Untersuchung auf übertragbare Krankheiten einschließlich einer Röntgenaufnahme der Atmungsorgane dulden.

Jeder Asylbewerber muss sich untersuchen lassen

Das Gesundheitsamt unterhält dazu eine Außenstelle in der Bayernkaserne, die in diesem Jahr personell verstärkt und mit einem zusätzlichen Röntgengerät ausgestattet wurde. Für die "orientierende körperliche Untersuchung" auf ansteckende Krankheiten, die umstrittene Blutabnahme zur Untersuchung auf HIV und Hepatitis B und die Dokumentation der Befunde braucht ein Arzt nach der Kalkulation des Gesundheitsreferats im Schnitt 12,5 Minuten pro Asylbewerber. Dazu kommen fünf Minuten beim Radiologen: Bis Ende Juli wurden so 59 Tuberkulose-Fälle diagnostiziert.

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Masern müssen nicht unbedingt entdeckt werden: "Der für Masern typische Hautausschlag ist meist erst am dritten bis siebten Tag nach der Erkrankung sichtbar", erklärt Katrin Zettler, Sprecherin des Gesundheitsreferats. "Betroffene sind jedoch schon fünf Tage vor Auftreten des Ausschlags ansteckend." Es fängt mit Fieber, Schnupfen und Niesen an, zudem kann eine Bindehautentzündung auftreten. Der rötliche Hautausschlag beginne am dritten bis siebten Tag im Gesicht und hinter den Ohren und bleibe vier bis sieben Tage bestehen. In diesem Jahr sind bisher 40 Fälle in München gemeldet worden.

Andreas Herden, Abteilungsleiter für die Migrationsdienste der Inneren Mission München, die sich um die soziale Beratung in der Bayernkaserne kümmern, erklärte, die Innere Mission habe ihren Mitarbeitern angeboten, ihren Impfschutz überprüfen zu lassen. Herden hält es darüber hinaus für sinnvoll, auch das Sicherheitspersonal mit Fieberthermometern auszurüsten, damit gerade auch in den Nachtstunden schnelle Hilfe bei Fieber geholt werden kann. Herden hofft überdies, dass mit dem Ende des Aufnahme- und Weiterverlegungsstopps dann auch die Überbelegung der Kasernengebäude aufhört.

© SZ vom 26.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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