Arbeitsmarkt:Alles einsteigen in die Bewerbungstram!

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Blick in das Führerhaus der Bewerbungstram auf dem Weg durch München. (Foto: Jan A. Staiger)

Bei der Suche nach geeigneten Mitarbeitern geht die Münchner Verkehrsgesellschaft ungewöhnliche Wege. Einige Kandidaten erhalten sofort Zusagen.

Von Merlin Gröber

Renata Vargovic steigt in Pasing ein. Seit 29 Jahren arbeitet sie als Schauwerbegestalterin, dekoriert Auslagen und Geschäfte, hilft bei Veranstaltungen aus. Jetzt möchte sie Tramfahrerin werden. "Mein bisheriger Beruf ist sehr kreativ, aber auch körperlich anstrengend", sagt die 46-Jährige. Jetzt sei es Zeit, sich etwas Neues zu suchen. Dafür nutzt Vogoviz eine Aktion der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG): Erstmals nämlich rollte am Freitag die Bewerbungstram durch München. Vogoviz war eine der wenigen Frauen unter den Kandidaten. Sie wird nach ihrer Eignung, nach Interessen und Wünschen gefragt. 20 Minuten dauert das Gespräch. "Ich möchte Tramfahrerin werden, weil ich gerne unterwegs bin und keine Verantwortung scheue", sagt sie.

Bewerbungsgespräche direkt in der Tram - so etwas gab es bei der MVG bisher noch nie. "Wir hoffen, dass dadurch mehr Menschen auf uns aufmerksam werden", sagt Matthias Korte, Pressesprecher der MVG. Wegen neuer Strecken, dichterer Taktung und Fluktuation, muss das Unternehmen im Laufe des Jahres 300 Stellen neu besetzen. Bei der Rekrutierung wollte die MVG nun neue Wege gehen, die Tram als Alleinstellungsmerkmal nutzen: "Stellenanzeigen in Zeitungen und online gibt es viele; eine Bewerbungstram haben nur wir", sagt Korte. Mit der Tram möchte die MVG den Bewerbungsprozess abkürzen und die Jobangebote attraktiver machen.

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Fünf Stunden lang fuhr die Tram durch die Stadt. 71 Bewerber stellten sich den Personalern der MVG vor, um Fahrer zu werden. 27 bekamen eine vorläufige Jobzusage. Unter ihnen ist auch Shqirim Brahimi. Der 25-Jährige war auf dem Rückweg von einem Arzttermin, als er die Bewerbungstram am Pasinger Bahnhof stehen sah, wie er erzählt. "Ich wollte schon immer Busfahrer werden, deswegen bin ich spontan eingestiegen", sagt er. Unterlagen hatte Brahimi keine dabei, trotzdem gab es ein Vorstellungsgespräch und eine vorläufige Zusage. "Ich muss ein polizeiliches Führungszeugnis und einen Auszug aus dem Verkehrsregister nachreichen", sagt Brahimi.

Für ihn erfüllt sich damit ein Kindheitstraum: "Ich bin früher häufig mit dem Bus nach Hause in den Kosovo gefahren. Das waren immer sehr spannende Fahrten", sagt er. "Ich habe mich aber nie getraut selbst als Busfahrer zu bewerben. Ich dachte, das klappt eh nicht." Nach der Schule wurde Brahimi Einzelhandelskaufmann, verdiente sein Geld als Zeitarbeiter beim Fahrzeugbauer MAN. Von seiner spontanen Umorientierung weiß bisher niemand etwas: "Ich muss nachher mal meine Mutter anrufen und ihr Bescheid geben", sagt Brahimi. "Ich glaube aber, sie wird sich freuen." Brahimi wird bald einer von 2000 Fahrern der MVG sein.

Vergangenes Jahr transportierten sie ungefähr 590 Millionen Fahrgäste in U-Bahnen, Trams und Bussen durch München. Doch welches der öffentlichen Verkehrmittel ist bei den Fahrern am beliebtesten? "Die meisten Bewerber möchten gerne Tramfahrer werden", sagt Anita Niemeyer, Leiterin des Recruitings bei der MVG. Vor allem die Linie 19, die von Pasing nach Berg am Laim führt, sei ein Highlight. "Da geht es mitten durch die Stadt, vorbei an vielen Sehenswürdigkeiten", sagt Niemeyer.

Adonis Marvin würde auch gerne auf der Linie 19 mit der Tram fahren, dafür braucht es aber einen gültigen PKW-Führerschein. "Den habe ich leider nicht", sagt Marvin. Deswegen bewirbt sich der 28-Jährige als U-Bahn-Fahrer, dafür braucht es keinen Führerschein. Mit seinem Bekannten Adel Mahsour ist er in der Bewerbungstram unterwegs. Im Gegensatz zu Marivn besitzt Mahsour einen Führerschein, sein Wunsch Nummer eins ist aber die U-Bahn: "Ich habe gerne meine Ruhe und in der U-Bahn hat man wenig Kundenkontakt", sagt er. Auch müsse man sich nicht mit anderen Verkehrsteilnehmern auseinandersetzen. "In der U-Bahn nimmt einem keiner die Vorfahrt", sagt Mahsour und lacht.

Sollten Marvin und Mahsour angenommen werden, können sie nach einer 14-wöchigen Ausbildung als U-Bahn-Fahrer arbeiten. Die Ausbildung zum Trambahnfahrer dauert bei der MVG rund zwölf Wochen, bei den Busfahrern hängt die Dauer von den Vorkenntnissen ab: Wer bereits einen Busführerschein mitbringt, kann nach einer achttägigen Einarbeitung starten. Als Neueinsteiger mit PKW-Führerschein dauert es bis zu viereinhalb Monate. Ist die Ausbildung vorbei, zahlt die MVG ihren Fahrern rund 2700 Euro brutto pro Monat. Mit der ersten Fahrt der Bewerbungstram ist die Rekruterin Anita Niemeyer sehr zufrieden. "71 Bewerber, das ist super", sagt sie. Am 12. Februar geht's weiter, dann rollen die Bewerber wieder durch München.

© SZ vom 02.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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