Die Worte, die Kyabangi Onyango ins Gefängnis bringen könnten, klingen biblisch. "Fleischliche Kenntnis einer anderen Person gegen die Ordnung der Natur", Artikel 145a, Strafe: lebenslange Haft. "Versuch, widernatürliche Delikte zu begehen", Artikel 146, Strafe: sieben Jahre Haft.
Es sind Worte aus dem ugandischen Strafgesetzbuch, sie haben Onyango, 35, bunt gestreifter Pulli, Jeans, raspelkurze Haare, aus ihrem Land getrieben. Jetzt sitzt sie mit einigen anderen Frauen in der Bar der Münchner Lesbenberatung Letra, in jeder Hinsicht ziemlich weit entfernt von einem ugandischen Gericht.
Bier und Fritz-Cola auf den Tischen, Lounge-Musik. Onyango, deren echter Name zu ihrem Schutz nicht in der Zeitung stehen soll, begrüßt andere Frauen mit Umarmungen, "lange nicht gesehen", sagt sie auf Deutsch. Was hier passiert, das hätte Onyango sich früher nicht vorstellen können: Dass sich hier lesbische Frauen treffen, nicht heimlich, sondern ganz offen. Dass sie sich nicht schämen für ihre Liebe. Dass sie sich auf der Straße küssen, wenn sie wollen. Und dass sie dafür nicht verhaftet, nicht verprügelt, nicht vergewaltigt werden.
Ihr Asylantrag wurde in zweiter Instanz abgelehnt
In Onyangos Heimatland Uganda ist Homosexualität strafbar, Gewalt gegen Lesben und Schwule alltäglich. Das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und das Bayerische Verwaltungsgericht wollen Onyango dorthin abschieben. Sie haben ihren Asylantrag abgelehnt, schon in zweiter Instanz.
Während vorne in der Letra-Bar die Musik lauter wird, versucht Onyango in einem Hinterzimmer ihre Geschichte zu erzählen. Nur selten lösen sich ihre Augen vom Kickertisch neben ihr, starren ins Nichts oder auf den Boden. Sie ist glücklich in München, sagt sie, presst die Lippen zusammen und wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Ihre Hand spielt unentwegt mit einer der Stangen des Fußballtischs. Die Kicker an der Metallstange treten ins Nichts.
Onyango sagt, ihre Mutter und ihre Geschwister sprächen nicht mehr mit ihr, seit sie wüssten, dass sie lesbisch ist. Sie habe in Kampala als Hausmädchen gearbeitet und sich in eine Tochter ihrer Arbeitgeber verliebt, Winnie. "Manchmal denke ich an Winnie", sagt Onyango. Dann bricht die Erzählung ab.
Onyango sei nicht glaubwürdig - sie erzähle nicht stringent
Onyango tut sich schwer, stringent zu erzählen, das haben auch ihr Anwalt, ihre Betreuerinnen bei Letra und die Behörden festgestellt. Mit Hilfe der Behörden- und Gerichtsprotokolle lässt sich ihre Geschichte rekonstruieren: Winnie wurde 2007 auf offener Straße überfallen und getötet. Onyango selbst wurde bedroht, der Marktstand, den sie betrieb, niedergebrannt. In ihrer Nachbarschaft hingen Briefe des Gemeinderats, in denen sie geoutet wurde - Briefe, die dem BAMF in Kopie vorliegen. Mit Hilfe einer christlichen Kirche floh Onyango im August 2011 nach Deutschland.
Onyangos Anwalt und ihre Betreuerinnen können viele Gründe für ihre Schwierigkeiten beim Erzählen nennen. Sie ist in psychiatrischer Behandlung, schwere Depressionen, Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). "Seit dem letzten Urteil hat sich ihr psychischer Zustand rapide verschlechtert", sagt eine Letra-Mitarbeiterin.
Kaum jemandem fällt es leicht, einem wildfremden Beamten Details aus dem eigenen Sexualleben zu erzählen; umso schwerer muss es für Menschen aus Uganda sein, wo Homosexualität ein Tabu ist. Das BAMF aber legt Kyabangi Onyangos Schwierigkeiten, ihre Geschichte stringent zu erzählen, gegen sie aus. Sie sei nicht glaubwürdig, heißt es in ihrem negativen Asylbescheid vom Dezember 2013. Sie habe ihre Geschichte erfunden. Denn die Behörde definiert Glaubwürdigkeit als die Fähigkeit zum stringenten Erzählen.
Glaubhaft ist ihr zufolge, wer einen "schlüssigen Sachvortrag", eine "lückenlose Schilderung" abliefern kann. "Die wahrheitsgemäße Schilderung eines realen Vorganges ist erfahrungsgemäß gekennzeichnet durch Konkretheit, Anschaulichkeit und Detailreichtum": So formuliert die Behörde in Onyangos Asylbescheid, so formuliert sie in einer Stellungnahme an die SZ.