Konzert in der Freiheitshalle:Ventil für den Dampf im Kopf

Lesezeit: 2 min

Er begann zu pfeifen, damit das Publikum ihn bemerkte: Andrew Bird. (Foto: David Black)

Andrew Bird ist ein ganz besonderer Singer-Songwriter, auch weil er pfeifen kann wie niemand sonst.

Von Claus Lochbihler

Niemand pfeift so schön, so melodiös und so durchdringend wie Andrew Bird. Mal klingt es nach Italo-Western, mal nach einer Mini-Arie, die sich plötzlich in einem Pop-Song breitmacht, wenn der Musiker aus Kalifornien die Lippen spitzt und loslegt. Wer sich einen Eindruck von Andrew Birds exquisiter Pfeifkunst verschaffen will, der lausche "Sisyphus", einem seiner schönsten Songs der letzten Jahre, in dem Bird den alten Mythos-Griechen auffordert, den verdammten Felsen doch einfach loszulassen.

Für sich gepfiffen hat der Sänger und Violinist, der sich auf seinen Alben zwischen Indie-Folk, Americana, experimentellen Instrumentalaufnahmen und Singer-Songwriter-Pop bewegt, schon immer. Aber es hat lange gedauert, bis er es auch als Musiker und im Studio eingesetzt hat. Seine Erklärung beim Interview: Weil er die Geige, dieses so schwer zu erlernende Instrument, als sein Hauptinstrument betrachtete, sei es ihm schwergefallen, zu akzeptieren, dass das Publikum auf etwas so Simples wie sein Pfeifen genauso stark reagiert wie auf sein Geigenspiel.

Mit dem Pfeifen auf der Bühne fing der heute 49-Jährige an, als er bemerkte - damals noch als singende, geigende und sich loopende One-Man-Band - , dass nichts so sehr die Aufmerksamkeit auf ihn lenkte wie sein Pfeifen. Vor allem zu Konzertbeginn, wenn alle noch quatschen und Bier trinken und gar nicht bemerken, dass der Typ auf der Bühne gern hätte, dass sie ihm jetzt zuhören. Also pfiff Andrew Bird zu seinen ersten Songs. Und sofort lauschte das Publikum. Gepfiffene Töne können alles durchschneiden, sagt Andrew Bird. "Wie Glas." Deswegen hebe sich sein Pfeifen auch so gut ab von den holzig warmen Tönen, die er auf der Geige und manchmal auch auf der Gitarre anstimme.

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Im Studio setzte Andrew Bird das Pfeifen anfangs nur ein, um seinen Mitmusikern eine Melodie beizubringen. Als dazu eines Tages - bei den Aufnahmen zu "The Swimming Hour" - das Band mitlief und sie sich den Songentwurf noch einmal anhörten, war klar: Besser geht es eigentlich nicht, weder gesungen noch auf der Geige. Seitdem pfeift Andrew Bird. Nicht nur beim Abwaschen und Fahrradfahren, sondern auch auf der Bühne und im Studio.

Auch für sein Songwriting setzt der Amerikaner das Pfeifen ein. Oft bildeten seinen gepfiffenen Melodien am besten ab, was er in seinem Kopf höre. Pfeifen sei so etwas wie "klanglicher Dampf", der aus seinem Kopf weiche. Oft seien diese herbeigepfiffenen Melodien formbarer und flüssiger als diejenigen, die er sich auf der Geige herbeiimprovisiert. Auch als Andrew Bird vor zwei Jahren in der Serie "Fargo" einen Gastauftritt als Bestatter Thurman Smutny hatte, durfte, ja sollte er whistlen: "Das stand so im Drehbuch. Und ich war froh darum, weil ich einfach sehr viel besser pfeifen als schauspielern kann."

Mit aktuellem Album ("Inside Problems" auf Loma Vista/Concord), toller Band und neuen Songs über die Einsamkeit der späten Joan Didion, die Zahl Acht und die Gedanken schlafloser Pandemie-Nächte gastiert Andrew Bird nun zum ersten Mal in München. Man folge dem Pfeifen.

Andrew Bird, Do., 14. Juli, 20 Uhr, Freiheitshalle

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