Bald wird in der Innenstadt ein neuer Laden eröffnen, und der wird nicht unbedingt danach aussehen, als gehöre er einem bekannten Konzern. Es wird dort Wolljacken geben und Pfeffermühlen und Birkensaft. An den Pullovern werden sich kleine Schilder finden, darauf ein Code, mit dem jeder nachverfolgen soll, woher dieser Pullover kommt.
Und vielleicht werden manche Kunden vermuten, dies sei eine neue, nachhaltige Firma; in keiner anderen Stadt in Deutschland wird man den Namen Arket lesen. Dabei gibt sich hier nur einer als ein ganz anderer aus, um gut anzukommen.
Der neue Laden gehört zu H&M, dem Konzern aus Schweden, der in zwölf Monaten mit billiger Kleidung mehr als 23 Milliarden Euro umsetzt. Der auf der Welt mehr als 4000 Shops betreibt. In der Kaufingerstraße wirbt er mit drei Läden, zu erkennen an den roten Schriftzügen, auch in der Neuhauser Straße und in der Weinstraße. Doch mehr und mehr Geschäften merkt man nicht an, dass sie zum Konzern gehören. H&M soll nicht mehr nach H&M aussehen.
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Der erste Laden der neuen Marke Arket hat vor kurzem in London aufgemacht, nun folgen Brüssel, Kopenhagen und München. Das Haus in der Weinstraße ist noch abgesperrt, am 13. Oktober wird eröffnet. Von hier braucht es nur ein paar Schritte nach vorne, Richtung Odeonsplatz, dort findet sich auf fünf Stockwerken: H&M.
Umdrehen, ein paar Schritte zurück, Richtung Marienplatz, dort ist auf drei Stockwerken: Cos, die puristische Kleidungslinie, auch H&M. Arket wird das achte Geschäft sein, in einem Umkreis von nur wenigen Metern. Die Firma testet in München jetzt, wie sie Menschen zurückgewinnen kann, für die eine Marke wie H&M längst nicht mehr interessant ist.
München war schon immer eine Stadt, in der Konzerne gerne ihre ersten deutschen Filialen eröffneten. Da war zum Beispiel in den Siebzigerjahren der erste McDonald's an der Tegernseer Landstraße, kurz darauf präsentierte Ikea sein erstes Haus in Eching. Später der erste deutsche Apple-Store beim Marienplatz, im Jahr 2008, bald macht auch Disney in der Neuhauser Straße wieder einen Shop auf.
In der Innenstadt kann der Quadratmeter schon einmal mehr als 300 Euro Miete kosten, die Preise sind so hoch wie in keiner anderen Stadt. Konzerne aber können solche Mieten leichter bezahlen als einzelne Händler. Zudem ist nicht nur der Quadratmeterpreis besonders hoch, sondern auch die Kaufkraft. Wohl auch deshalb hat sich H&M für Bayern entschieden und nicht für Berlin.
H&M ist in der Münchner Innenstadt mehrfach präsent.
Allerdings erscheint der Konzern nicht immer mit dem bekannten roten Schriftzug im Stadtbild.
Als weitere Marke führt das schwedische Modehaus in Deutschland nun Arket ein.
"And Other Stories" soll ein anderes Publikum ansprechen als H&M.
In den vergangenen Jahren hat H&M sich mit seinem Geschäft schwer getan, vor allem neben Inditex, dem spanischen Konzern, der hinter Shops wie Zara steht, einem seiner größten Konkurrenten. Inditex produziert mehr in Europa, bringt seine Kollektionen deshalb oft schneller in die Regale.
Dann kam auch noch Primark hinzu, der Discounter aus Irland, der auf dem Festland einen Shop nach dem anderen eröffnete. Der Gewinn von H&M ging mehrmals zurück, der Umsatz stieg nicht mehr so stark wie gewohnt. Das lag zum einen an der Konkurrenz, an Inditex, an Primark. Zum anderen an den Kunden.
Wer billig einkaufen will, muss nicht zu H&M, selbst Aldi und Lidl verkaufen Hosen. Wer bewusst einkaufen will, geht ohnehin nicht mehr hin. H&M bedeutete lange Mode für alle, die eingenähten Etiketten waren vor allem der Waschmaschine wegen wichtig. Heute ist die Zeile darunter für viele entscheidender: China, Bangladesch, Indien.
H&M, das bedeutet mittlerweile auch: Bilder von Näherinnen, die sich über ihren Maschinen krümmen. Bilder von eingestürzten Fabriken, von Schutt und Staub. Mit seinen neuen Marken wie Arket versucht sich der Konzern ein neues Image zu kaufen, ein besseres. Der Name "Arket" bedeutet auf Schwedisch "Blatt Papier".
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Einer Kundin zu erzählen, dass ein rostbrauner Rock gut zu einem blauen Pullover passt, reicht heute nicht mehr aus. Um zu überleben, setzen viele Ladeninhaber auf Kooperationen.
Das Konzept galt schon für Cos in der Weinstraße, für And Other Stories in der Sendlinger Straße, auch diese beiden Marken sollten ein anderes Publikum ansprechen als H&M, die Preise liegen höher. Mit Arket aber verkauft die Firma nicht mehr nur Kleidung, in den Regalen werden sich zudem Marken anderer Firmen finden, Pfeffermühlen von Peugeot und Kuscheltiere von Steiff zum Beispiel - die "guten Dinge", mit denen auch die Firma Manufactum wirbt, die bisher eine ganz andere Zielgruppe umwarb als H&M.
Doch auch bei Arket soll es ein kleines Café geben, die Produkte sollen klassischer sein und mehr als eine Saison überdauern. Beim Unternehmen heißt es dazu, der Name stehe für "funktionales Design" und für "die vielen Möglichkeiten, die wir gespürt haben als wir die Marke entwickelt haben". Eine der Möglichkeiten: mehr Umsatz.
"Menschen mit Geld" leben in München viele
Arket solle "Menschen mit Geld" ansprechen, sagte ein Sprecher des Konzerns einmal, die "nachhaltig konsumieren" wollen, ein T-Shirt kostet immerhin ungefähr dreimal so viel wie bei H&M. Und "Menschen mit Geld" leben in München viele, unter den vier Regionen mit der höchsten Kaufkraft im Land finden sich Starnberg, der Landkreis München und die Stadt München.
Auf den Plätzen dahinter folgen Ebersberg, Fürstenfeldbruck und Dachau. Sechs der zehn Regionen, in denen Menschen besonders viel Geld für Konsum ausgeben können, liegen also in München und seinem Umland. Das zieht die Konzerne an.
Die Händler in der Innenstadt fürchten diese Großen oftmals, doch bei Filialen, die es sonst in keiner anderen deutschen Stadt gibt, ist das anders. Solche Läden zögen Kunden an, heißt es beim Verein City Partner, einem Zusammenschluss von Münchner Händlern. Auch die Nachbarn profitierten, anders als beim sechsten Geschäft mit rotem Schriftzug.
Der Chef von H&M führt die Firma in dritter Generation, sein Großvater hatte "Hennes" gegründet, was "für sie" bedeutet, erst später kam "Mauritz" hinzu, und damit Mode für Männer. Karl-Johan Persson hatte im Januar angekündigt, er wolle noch 2017 Filialen schließen, da das Online-Geschäft immer bedeutender werde. Er sagte allerdings nicht, welche Marken das betreffe. Und nicht, welche Städte.