Solln/Pullach:"Ich fühle mich geehrt und überwältigt"

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Der US-Soldat James M. Greene wurde 1944 von NSDAP-Funktionären ermordet. Nun erlebt sein Enkel, wie München und Pullach an diese Tat erinnern

Von Pauline Stahl, Pullach

Im Gedenken vereint: Der Enkel des ermordeten Soldaten, James Patrick Greene. (Foto: Stephan Rumpf)

50 Angriffe fliegen - das war ihr Auftrag. Danach hätten sie wieder in ihre Heimat, die USA, und zu ihren Familien zurückkehren können. Doch dazu sollte es für die Crew des B-24-Bombers mit dem Namen "Flying Junior" nicht kommen. Vor 75 Jahren, am 19. Juli 1944, wurde der Bomber mit seiner zwölfköpfigen Besatzung über Pullach von der deutschen Flak abgeschossen. Weil der Pilot es schaffte, die Maschine noch für kurze Zeit in der Luft zu halten, konnten vier der Soldaten mit Fallschirmen aus dem brennenden Flugzeug springen.

Einer der amerikanischen Soldaten, James M. Greene, landete in einem Waldstück zwischen Solln und Pullach. Er ergab sich drei NSDAP-Funktionären aus dem Ortsteil, die den jungen Mann jedoch sofort erschossen. Die Leiche wurde ausgeplündert und verstümmelt. "Er hatte sich ergeben und befand sich in keiner unmittelbaren Kampfhandlung mehr", sagt Susanna Tausendfreund (Grüne), Bürgermeisterin der Gemeinde Pullach, bei einer Gedenkveranstaltung für den gefallenen Soldaten am Freitagmittag. "Hier kann nur von Mord, besser von Lynchmord, gesprochen werden."

Denn gemäß dem Genfer Abkommen hätte Greene nicht ermordet werden dürfen, sondern stand als Kriegsgefangener unter Schutz. "Es gab eine Nazi-Propaganda gegen Terrorflieger", begründet Susanne Meinl das Fehlverhalten der Nationalsozialisten. Die Historikerin hat gemeinsam mit Markus Mooser die Ereignisse des 19. Juli 1944 rekonstruiert und nun ein Erinnerungszeichen für James M. Greene an der Sollner Rungestraße, Ecke Waldmüllerstraße, initiiert.

OB Dieter Reiter erinnert an die Kriegsverbrechen. (Foto: Stephan Rumpf)

Der Soldat wurde 1924 als einziger Sohn von Verbal und James Roscoe Greene in Kentucky geboren. Bevor er die USA mit der Air Force in Richtung Italien verließ, heiratete er im Oktober 1942 Emma Catherine Collier. Seinen Sohn, den sie im April 1944 gebar, lernte Greene nie kennen. Als Bordschütze gehörte der damals 20-Jährige der 460. Bombergruppe der 15. US-Luftflotte an. Ab Frühjahr 1944 flog die Truppe Einsätze auf militärische Ziele in Italien, Frankreich, auf dem Balkan und in Deutschland.

Bei ihrem letzten Flug am 19. Juli waren die Soldaten an einem Angriff auf die BMW-Fabrik in Allach beteiligt, wo Motoren für Jagdflugzeuge hergestellt wurden. In den Mittagsstunden wurde die "Flying Junior" beim Anflug auf München abgeschossen. Außer Greene sprang auch Richard C. Travers, der Funker der Crew, mit einem Fallschirm aus dem Flugzeug und landete nur einige Straßen entfernt von ihm. Anders als Greene hatte Travers jedoch Glück. Der Medizinstudent Walter Grein verhinderte, dass auch dieser Soldat ermordet wurde. Der Luftfotograf Gerald W. Walter verdankte seine Rettung einem noch immer unbekannten Bauern. Er versteckte den Soldaten vor den Greiftrupps der NSDAP-Funktionäre, bis die Polizei ihn in Kriegsgefangenschaft nahm. Auch das betont Meinl bei der Einweihung: "Es gab auch immer wieder Deutsche, welche die Morde verhindert haben."

Vor 75 Jahren ist James M.Greene im Wald ermordet worden. (Foto: Privat)

An die Verbrechen des NS-Regimes, die nicht verhindert werden konnten, sollen Tafeln und Stelen in ganz München erinnern und eine Mahnung sein. Eine davon steht nun in Solln, an einem Weg, der in den Wald führt, in dem Greene vor 75 Jahren ermordet wurde. Geboren in Paducah, abgeschossen über München, ermordet in München, steht auf einer rundlaufenden goldenen Tafel, die auf eine schmale, silberne Säule aufgesteckt ist. Daneben ist ein gerastertes Bild des jungen Soldaten zu sehen. Dass er nur eines von vielen Opfern ist, sagt Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) bei der Veranstaltung. "Nicht alle Opfer sind bekannt, aber die geschätzte Anzahl ist hoch."

Für die Familie von Greene ist es eine Erleichterung, zu wissen, was mit James M. Greene geschah. "Ich fühle mich geehrt und überwältigt, meinem Großvater heute diese Ehre zu erweisen", sagt sein Enkel, James Patrick Greene, der mit einem Oberstleutnant der Air Force eigens aus Amerika angereist ist. "Wir müssen uns immer wieder an das Ausmaß des Krieges erinnern und dazu inspirieren, den Frieden zu erhalten."

© SZ vom 20.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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