Justiz:Was die AfD ruhig mal erzählen könnte

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Die Rechtspopulisten spielen gern Opfer des "Systems". Dabei schützt sie der Rechtsstaat so gut wie alle anderen, wie ein Kölner Urteil beweist.

Kommentar von Ronen Steinke

Es gehört zu den beliebtesten Jammer-Erzählungen fragiler Rechter, es gebe in Deutschland keinen Rechtsstaat mehr, keine Fairness, nur noch ein Kartell aus "Mainstream" und "Elite", das gegen "aufrechte Konservative" beziehungsweise AfDler prinzipiell voreingenommen sei. Die "etablierten" Parteien hätten sich die Exekutive ebenso zur Beute gemacht wie die Justiz. Es gehört zu den beliebtesten Jammer-Erzählungen - und zu den lächerlichsten, wie jetzt wieder die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln zum Streit zwischen der AfD und dem Verfassungsschutz zeigt.

Hier hat ein Gericht, an das sich die AfD hilfesuchend gewendet hatte, ausgesprochen hilfsbereit reagiert. Unabhängig von Fragen der politischen Sympathie haben die Richter der AfD in einer Reihe von juristischen Punkten recht gegeben. Ja, haben sie gesagt: Der Verfassungsschutz habe unseriös gearbeitet, als er öffentlich behauptete, der extrem rechte "Flügel" der Partei bestehe aus 7000 Leuten, ohne für diese hohe Zahl gute Anhaltspunkte zu haben. Das brauche die AfD nicht auf sich sitzen zu lassen. Mehr noch: Wie nun am Donnerstag bekannt wurde, haben die Richter dem Verfassungsschutz sogar aufgegeben, binnen eines Monats öffentlich Abbitte zu leisten und eine "Richtigstellung" der falschen Zahl zu veröffentlichen. Und übrigens: Dass die Partei in Gänze als "Verdachtsfall" beobachtet wird, fanden die Richter zwar okay. Dennoch haben sie, als die AfD Klage einreichte, erst einmal ein Jahr lang den Verfassungsschutz zum Innehalten gezwungen. I

Das könnte der AfD-Chef Tino Chrupalla ruhig mal beim nächsten Stammtisch europäischer Rechtspopulisten erzählen: Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Rechtsstaat, in dem selbst eine derart von Bundesrepublik-Verachtung geprägte Partei wie die AfD jederzeit zum örtlichen Verwaltungsgericht hingehen und sogar den mächtigen Inlandsgeheimdienst in die Schranken weisen lassen kann.

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