Friedensbewegung:Wir brauchen Träumer!

Lesezeit: 1 min

Die Teilnehmer der Ostermärsche sind angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine großer Häme ausgesetzt. Dabei zeigt die rege Beteiligung, dass Pazifismus keineswegs ein ferner Traum ist.

Von Moritz Baumann

Die Friedensbewegung ist weder tot noch sind Rufe nach Entspannung aus der Zeit gefallen. Die Zeitenwende ist da, keine Frage. Doch die militaristische Rhetorik ist gefährlich. Es wird eine Logik des Wettrüstens bejubelt, die eigentlich überwunden zu sein schien. Gut, dass es die alte Garde der Friedensaktivisten noch gibt.

Tausende Menschen haben sich am Wochenende den Ostermärschen angeschlossen. Sie würden den Ukrainern ins Gesicht spucken, ätzte ein prominenter Verteidigungspolitiker. Doch bei aller berechtigten Kritik, dass ein Teil der Bewegung Russland immer noch für das Opfer hält, ist Pazifismus keineswegs ein "ferner Traum", wie Robert Habeck sagt.

Willy Brandt wusste es besser

Schon Willy Brandt wusste es besser: Deutschland halte an der "Politik der ausgestreckten Hand fest", sagte Brandt 1968 im Bundestag - nur einen Monat nachdem sowjetische Panzer in die Tschechoslowakei eingedrungen waren. Dennoch hielt Brandt an der Entspannungsmaxime fest. Aus Naivität? Nein, das war politisch klug.

Er widersetzte sich dem Drang, den Aggressor zu dämonisieren, und wurde dafür als "verbohrter Illusionist" abgestempelt. Brandt verteidigte sich: Ein Abbau der Spannungen heiße, "ohne Illusionen, ehrlich den Versuch zu machen, den großen Krieg zu verhindern". Er unterschied damit zwischen Ziel und Methode, wobei er an Ersterem festhielt.

Diese Weitsicht, einen großen Krieg zu verhindern, braucht es heute wieder. Jegliche Ideale über Bord zu werfen, kann in den Abgrund führen. Wenn Vertreter des Militärs vor zu viel "Kriegsrhetorik aus guter gesinnungsethischer Absicht" warnen, sollte jeder einen Moment innehalten. Das barbarische Morden in der Ukraine verleitet dazu, alles zu tun, um den Feind zu besiegen. Und weil die öffentliche Meinung derzeit vor allem eine Richtung kennt, werden die Friedensappelle auf den Ostermärschen als Störfeuer wahrgenommen. Denn sie treffen einen wunden Punkt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: