Europäische Union:Der EU stehen Jahre der Prüfung bevor - für die Kandidaten wie für die Mitgliedstaaten

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Wenn die EU neue Mitglieder aufnehmen will, benötigt sie vorher eine Reform an Haupt und Gliedern. Für die Ukraine sind das nicht unbedingt gute Nachrichten.

Kommentar von Daniel Brössler

In der Geschichte der Erweiterungen der Europäischen Union haben strenge Ermahnungen eine lange Tradition. Auf ihrem Weg in die Gemeinschaft werden Kandidaten von Beginn an daran erinnert, welche Hausaufgaben sie vor einer Aufnahme zu erledigen haben. Auch die Ukraine wird zusammen mit dem Kandidatenstatus - der ihr ohne eine Blamage für die EU nicht mehr vorzuenthalten ist - eine lange Liste von Bedingungen ausgehändigt bekommen. Nach dem hoffentlich baldigen Kriegsende muss der Staat moderner, wettbewerbsfähiger und natürlich auch weniger korrupt werden. Das sind große, aber im Vergleich zum Überlebenskampf gegen das übermächtige Russland gut zu bewältigende Aufgaben.

Was in der EU weniger Tradition hat, ist die Selbsterkenntnis. Die Union ist mit derzeit 27 Mitgliedern an der Grenze ihrer Handlungsfähigkeit angelangt. Das liegt nicht daran, dass sie zu groß wäre, sondern daran, dass sich einzelne Mitglieder wegen ihrer Vetomacht zu stark fühlen. Ein Land wie Ungarn, das unter der autoritären Führung von Viktor Orbán derzeit keine Chance auf einen Beitritt hätte, kann die Union fast nach Belieben blockieren. Insofern ist folgerichtig, wenn Olaf Scholz die Reform der EU zur Bedingung macht für den Beitritt neuer Mitglieder.

Für die Ukraine, Moldau und die Länder des westlichen Balkan ist das allerdings auch eine beklemmende Nachricht. Sie bedeutet, dass selbst eifrige Reformen und das Abarbeiten aller Bedingungen ihnen nicht zwingend den Weg in die Union ebnet. Wenn Deutschland nun mehr eigene Abgeordnete im EU-Parlament nach der Aufnahme neuer Mitglieder fordert, zeigt das, wie viele Interessen zu befriedigen sein werden, bevor die EU vorbereitet ist auf die Erweiterung. Die kommenden Jahre werden Jahre der Prüfung - für die Kandidaten wie für die Mitgliedstaaten. Jene, die rein wollen, wissen, was auf dem Spiel steht. Die anderen hoffentlich auch.

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Von Daniel Brössler

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