Kaliningrad:Rückzug auf Raten

Lesezeit: 1 min

Die Sanktionspolitik der EU trifft nicht den Transitverkehr in die russische Exklave. Darüber hätte man in Brüssel auch früher nachdenken können.

Kommentar von Stefan Kornelius

Um Kaliningrad kann schon qua seiner geografischen Besonderheit als Exklave des russischen Staates jederzeit ein Konflikt ausbrechen. Der Umgang mit diesem blutgetränkten Flecken Europa verlangt deshalb nach viel Sensibilität. Diese Sensibilität hat die Europäische Kommission nicht aufgebracht, als sie sich mit Litauen selbstbewusst darauf verständigte, seine Sanktionsregeln auch auf den Transitweg nach Belarus und damit zum russischen Kernland anzuwenden - als ob man eine Nabelschnur nur ein klein wenig abbindet. Diese weitgehende Interpretation des Sanktionsregimes auf den innerrussischen Transit war unüberlegt und musste deshalb korrigiert werden. Der Preis für diese Korrektur ist freilich auch unschön: Litauen düpiert, die Kommission in ihrer Unreife in Sachen Außenpolitik vorgeführt.

Die neue Weisung aus Brüssel hilft nur notdürftig bei der Gesichtswahrung: Es wird nun mehr kontrolliert, Waren dürfen nicht in unüblichen Mengen verfrachtet und nicht per Laster transportiert werden (der Verkehr ist eh zum Erliegen gekommen). Richtig ist, dass der eisfreie Hafen in Kaliningrad nicht zum russischen Export-Umschlagplatz werden darf. Der Test dafür - rollen mehr Tankwagen mit Öl oder nicht? - steht im Winter aus.

Der entstandene Schaden geht allein auf das Konto der EU. Wer auch immer diese Episode zu verantworten hat: Die Behörde zeigt, dass ganz große außenpolitische Entscheidungen bei ihr (noch) nicht gut aufgehoben sind. Der Weg zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ist mit unendlich vielen Hürden verstellt. Das ist ein Jammer, denn gerade in der Kombination aus Handels- und Marktpolitik kann die EU ihren größten Hebel entwickeln. An Russland aber überhebt sie sich erst einmal. Der Krieg in der Ukraine wird auch nicht an einer Transitstrecke im Baltikum gewonnen, sondern momentan noch mit Waffen aus der Union an der ukrainischen Front. Nadelstiche befriedigen erst mal nur das eigene Ego.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: