Rüstung:Ministerin Lambrecht hat recht

Die Chefin des Verteidigungsressorts stellt deutsche Moralitäten bei Waffenexporten infrage.

Kommentar von Daniel Brössler

Selten vermutlich hat eine deutsche Verteidigungsministerin ihren Kollegen aus Frankreich, Spanien oder Italien so sehr aus dem Herzen gesprochen wie Christine Lambrecht am Montag. Die SPD-Politikerin nutzte eine Grundsatzrede zu einer deutschen Selbstbezichtigung. Sie beschrieb Deutschland als Störfaktor bei gemeinsamen Rüstungsvorhaben, weil es durch strenge nationale Regeln den Export erschwere. Tatsächlich beschweren sich europäische Partner schon lange über deutsche Sonderregeln. Jede deutsche Schraube, lautet die Klage, könne einen Rüstungsdeal zum Platzen bringen. Konsens in der Koalition war, solche Kritik auszuhalten. Bis zur Zeitenwende.

Beim Konflikt um Waffenexporte zeigt sich exemplarisch, wie schwer es für die Ampel geworden ist, die veränderte Weltlage mit ihrem Koalitionsvertrag in Einklang zu bringen. Darin ist noch eindeutig von einer restriktiven Rüstungsexportpolitik die Rede. Lambrecht warnt nun davor, sich mit dem eigenen "Wertevorbehalt" über die europäischen Partner zu stellen. Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck kontert, Waffen dürften nicht an Menschenrechtsverletzer geliefert werden. Dahinter steht die nicht vollkommen unberechtigte Annahme, etwa die Franzosen nähmen es mit solchen Bedenken weniger genau.

Das Problem aber bleibt: Wer von der deutschen und europäischen Rüstungsindustrie moderne und in der Entwicklung teure Waffen zum Schutz vor der Bedrohung aus Russland wünscht, muss ihr auch profitable Geschäfte und einen größeren als den eigenen Absatzmarkt ermöglichen. Das darf keinesfalls aus jeder blutigen Diktatur einen begehrten Kunden machen. Die Europäer müssen sich darauf verständigen, unter welchen Bedingungen Lieferungen vertretbar sind. Deutschland sollte sich in diesen Diskussionen aber nicht im Besitz einer höheren Moral wähnen. Davor hat Verteidigungsministerin Lambrecht gewarnt, und damit hat sie recht.

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