Polen:Koalition am Ende, Kaczyński nicht

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Dieser Mann ist jetzt nicht mehr sein Partner: Jarosław Gowin, beobachtet von Jarosław Kaczyński. (Foto: DAMIAN BURZYKOWSKI via www.imago-images.de/imago images/newspix)

Zwei Stimmen Mehrheit, neun Abgeordnete weniger: Warum der Populist und seine Partei trotzdem weiter an der Macht bleiben werden.

Kommentar von Florian Hassel

Polens Regierungskoalition ist zu Ende - nicht aber das Regieren des faktischen Regierungschefs Jarosław Kaczyński und seiner nationalpopulistischen PiS. Gewiss, die bisher als "Vereinigte Rechte" bekannte Koalition ist Vergangenheit, nachdem nun der konservative Jarosław Gowin mit seiner Kleinpartei "Verständigung" ausgetreten ist. Damit hätte die Regierung am Ende sein können - schließlich sicherten die neun Parlamentarier dieser Partei der PiS bisher eine knappe Zweistimmenmehrheit: 232 der 460 Stimmen im Parlament.

Doch Gowins Rückhalt im eigenen Lager bröckelt seit Langem. Und weil zudem die PiS für etwaige Überläufer ein reiches Repertoire an Ministerposten und anderen Pfründen bereithält, stimmten schon Stunden nach dem Ende der Koalition fünf der neun bisherigen Gowin-Leute wieder mit der PiS. Auch mehrere Abgeordnete um einen populistischen Ex-Rocksänger und einige nominell unabhängige, doch ihr ideologisch nahestehende Parlamentarier stimmten bereits früher mit ihr. Kaczyński und seine Partei werden an Macht und Regierung bleiben, womöglich bis zur nächsten, erst 2023 anstehenden Wahl.

Eine vorzeitige Neuwahl wird die PiS unbedingt vermeiden wollen

Denn bei einer vorzeitigen Neuwahl würde sich die PiS (ebenso wie übrigens das Lager um den Rocksänger) wohl eine krachende Niederlage einhandeln. Sie ist weit von früheren Hochs entfernt. Dies liegt an Unfähigkeit in der Corona-Krise und am desolaten Gesundheitssystem, ebenso am weiteren Abbau des Rechtsstaates, dem faktischen Abtreibungsverbot wie an unzähligen Skandalen. Zudem beginnt die lange Zeit desolate Opposition, sich seit der Rückkehr von Ex-Ministerpräsident Donald Tusk aus Brüssel zu erholen. Und in Form von "Polska 2050" eines katholischen Ex-Fernsehjournalisten ist eine weitere bereits populäre Gruppierung erschienen, die ein Gegner der PiS ist - und ein Bündnispartner für Tusk wäre.

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Warum jedoch sind Kaczyński und sein verbliebener Koalitionär, der für den Abbau des Rechtsstaates maßgeblich mitverantwortliche Justizminister Zbigniew Ziobro, damit noch nicht am Ende? Weil sie ihre Politik weiter radikalisieren und den Stimmenkauf mit sozialen Wohltaten noch verstärken werden; ebenso ihre Angriffe auf alle politischen Gegner. Dafür steht ihnen schon bisher der öffentlich-rechtliche Fernsehsender TVP zur Verfügung, der längst zum Propagandasender nach russischem Vorbild abgesunken ist.

Während Millionen Polen noch unter den Folgen der Corona-Krise leiden, wollen die PiS und der von ihr gestellte Präsident in diesen Tagen für sich Gehaltserhöhungen von bis zu 70 Prozent durchsetzen - eine seltene Respektlosigkeit, auch gegenüber den finanziell oft nicht gutgestellten PiS-Wählern in der Provinz. TVP-Zuschauer erfahren davon so gut wie nichts. Nun versucht das Kaczyński-Lager, auch den Fernsehsender TVN unter Kontrolle zu bekommen, der bisher dem US-Konzern Discovery gehört. Ein neues Gesetz soll vorschreiben, Rundfunklizenzen nur noch dann an Ausländer zu vergeben, wenn diese "ihre Zentrale oder ihren Wohnsitz im Bereich des europäischen Wirtschaftsraums haben". Gowin war dagegen, was einer der Gründe für seinen Rückzug ist. Die Opposition verliert damit ihre einzige landesweite Fernsehbühne - ein einschneidendes Ereignis in Polen, wo nur wenige Menschen Zeitung lesen oder die wenigen guten Magazine. Polens Demokratie bleibt hochgradig bedroht.

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