"In aller Ruhe" mit Carolin Emcke:"Misstrauen gegen Allmachtsfantasien" - Regina Ammicht Quinn über den Umgang mit Tech-Innovationen

Lesezeit: 2 Min.

"Wir brauchen Misstrauen gegen Triumphalismus", sagt Regina Ammicht Quinn. (Foto: Margret Garbrecht Fotografie/Bearbeitung: SZ)

Welche Gefahren birgt die künstliche Intelligenz? Und warum sich Diskriminierungen aus der Vergangenheit in künstlicher Intelligenz wiederholen könnten - darüber spricht Regina Ammicht Quinn bei "In aller Ruhe".

Podcast von Carolin Emcke; Text von Johannes Korsche

Seit November vergangenen Jahres ist Chat-GPT frei und öffentlich zugänglich. Der auf künstlicher Intelligenz basierende Chatbot hat weltweit Nutzerinnen und Nutzer fasziniert und Begeisterung ausgelöst - aber auch die Frage aufgeworfen: Welche Regeln braucht künstliche Intelligenz, vor allem weil sie immer besser wird? Und welche Gefahren lauern in technischem Fortschritt? Darum geht es in der aktuellen Folge "In aller Ruhe" von Carolin Emcke.

Zu Gast ist Regina Ammicht Quinn. Sie ist Sprecherin des Internationalen Zentrums für Ethik und Wissenschaft und Leiterin des Bereichs Gesellschaft, Kultur und technischer Wandel an der Universität Tübingen. Ammicht Quinn, geboren 1957 in Stuttgart, studierte Katholische Theologie und Germanistik, promovierte zur Ethik der Theodizeefrage. Ihre Habilitation schrieb sie zu Körper, Religion und Sexualität. Ihren Forschungsschwerpunkt legt Ammicht Quinn auf Grundfragen der Ethik.

"Misstrauen gegen Allmachtsfantasien"

Ammicht Quinn argumentiert für ein "Misstrauen gegen Allmachtsfantasien", die im Silicon Valley kursieren. "Wenn wir im Silicon Valley, und zwar vor allem in der digitalisierten Medizin, gerade sehen, dass die Lebenserwartung für die nächste Generation teils auf 1000 Jahre beziffert wird. Oder gesagt wird, dass Mark Zuckerbergs Kinder ab 2050 keinerlei Krankheiten mehr haben werden, weil die ausgerottet sind. Also genau da brauchen wir Misstrauen gegen diesen Triumphalismus."

Das betreffe vor allem die "extremen Debatten", auch jene zur künstlichen Intelligenz. Da gebe es zwei Pole: Erstens die "utopische Debatte". Diese folge der Logik: "Wenn wir nur alle Daten haben, dann können wir alle Probleme lösen." Auf der anderen Seite stehe die "dystopische Debatte", wonach der Automatismus greife: "Wenn wir die künstliche Intelligenz weiterentwickeln, bringt sie uns alle um." Zwar stehen sich diese beiden Polen recht deutlich entgegen, doch sie sind durch eine Gemeinsamkeit verbunden: "Diese extremen Debatten sind technikfixiert und nicht menschenfixiert", sagt Ammicht Quinn.

"Es braucht Räume von Auseinandersetzung und Annäherung."

Abseits solcher Zukunftsvisionen sei es aber interessant, darauf zu schauen, wie künstliche Intelligenz funktioniere. Nämlich: Durch Daten aus der Vergangenheit werden Prognosen für die Gegenwart und Zukunft generiert. "Aber dieser Prozess schafft zugleich auch eine neue Wirklichkeit." Und diese "neue Wirklichkeit" reproduziere die Strukturen der Vergangenheit - mit ihren Diskriminierungen.

Auch deshalb plädiert Ammicht Quinn für ein anderes "Spannungsverhältnis zwischen Geistes- und Sozialwissenschaften und den Technikwissenschaften." Sie setzt sich für "Räume von Auseinandersetzung und Annäherung" ein.

Empfehlung von Regina Ammicht Quinn

Regina Ammicht Quinn empfiehlt: "The Atlas of AI" von Kate Crawford. (Foto: Yale University Press/Bearbeitung: SZ)

Regina Ammicht Quinn empfiehlt: " Atlas of AI - Power, Politics, and the Planetary Costs of Artificial Intelligence" von Kate Crawford, erschienen bei Yale University Press. Die American Society for Information Science and Technology zeichnete "Atlas of AI" als bestes Sachbuch der Informationswissenschaften 2022 aus. "Das Buch, von dem ich in letzter Zeit am meisten gelernt habe", sagt Ammicht Quinn.

Redaktionelle Betreuung: Johannes Korsche

Produktion: Imanuel Pedersen

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