Aktuelles Lexikon:Ne bis in idem

Ein Prinzip aus dem alten Rom, nun in Karlsruhe bekräftigt - in einer Mordsache.

Von Karoline Meta Beisel

Juristen kennen den Rechtsgrundsatz, dass niemand wegen derselben Tat zweimal angeklagt werden darf, unter seiner lateinischen Bezeichnung "ne bis in idem" (etwa: nicht zweimal in derselben Sache). Das ist nicht nur bildungshuberische Schnöselei: Die älteste Formulierung des Prinzips, das heute in Artikel 103 des Grundgesetzes festgeschrieben steht, findet sich im alten Rom. Erwähnt wurde es aber auch schon beim griechischen Redner Demosthenes. Von Rom aus breitete sich das Doppelbestrafungsverbot in ganz Europa aus und wurde dabei weiterentwickelt. In Frankreich wurde "ne bis in idem" zur Zeit der Französischen Revolution konkretisiert. Worauf genau soll sich der Strafklageverbrauch (wie Juristen dies nennen) beziehen: auf den konkreten Paragrafen, der in der Anklage steht? Nein, sondern auf die Handlung, die zu dieser Anklage geführt hat. Das heißt, man darf dieselbe Tötung nicht erst als Mord und nach einem Urteil noch einmal als Totschlag anklagen. 2021 konkretisierte der Bundestag den Grundsatz erneut: Bei "klaren" neuen Beweisen sollte eine Wiederaufnahme möglich sein, selbst nach einem Freispruch. Das war verfassungswidrig, entschied nun das Bundesverfassungsgericht: Auch dann darf der frühere Angeklagte nicht erneut angeklagt werden.

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