Migration:Ein zynisches Spiel

Lesezeit: 1 min

Einer von Tausenden: Ein Mann wird von spanischen Soldaten in Ceuta an der Grenze zu Marokko festgehalten. (Foto: Javier Fergo/dpa)

Die Menschen, die nach Ceuta geschwommen sind, hofften auf eine noch so winzige Chance. Doch kaum jemand von ihnen wird Europa jemals betreten. Sie wurden von Marokko instrumentalisiert.

Kommentar von Karin Janker

Plötzlich war Europa in Reichweite. Es lag nur ein paar Meter, ein paar Schwimmzüge entfernt, und für einen kurzen historischen Moment hinderte kein Grenzposten sie daran, ihr Glück zu versuchen: Tausende Menschen haben sich in den vergangenen Stunden auf den Weg in die spanische Exklave Ceuta gemacht. Sie kamen, weil Europa die Chance auf ein besseres Leben verheißt - und mag diese Chance noch so winzig sein. Kaum jemand von ihnen wird jemals in seinem Leben den Kontinent betreten.

Spanien hat einen großen Teil jener Menschen, die am Montag durchnässt an den Strand von Ceuta geklettert sind, umgehend wieder abgeschoben. Man sah sich überfordert und war es vermutlich auch. Die spanische Regierung handelte schnell und hart: Radpanzer, Tränengas, Pushbacks. Sie ging damit nicht nur gegen die Migranten vor, sondern auch gegen jene Hassredner im eigenen Land und anderswo in der EU, die sogleich von einer "Invasion" faselten.

Migration
:Marokko öffnet die Grenze und setzt Spanien unter Druck

Rund 8000 Migranten schwimmen binnen zweier Tage nach Ceuta. Dort kommen sie zwar nicht weiter, aber für die marokkanische Regierung ist das zweitrangig.

Von Karin Janker

Doch die Macht der Überwältigung lag in den vergangenen Stunden nicht bei jenen, die da mit nichts als dem bloßen Leben aus dem Wasser stiegen. Diese Männer, Frauen und Kinder wurden von Marokko auf zynische Weise instrumentalisiert. Rabat hat die Grenzen öffnen lassen, die Kontrollen eingestellt, um die EU unter Druck zu setzen. Wieder einmal offenbart sich hier die Verletzlichkeit der europäischen Abschottungspolitik.

Wer den Angekommenen von Ceuta eine "Invasion" andichtet, macht sich mit Marokkos Erpressungsversuch gemein und redet ihm das Wort. Rabat versucht offensichtlich auf diesem Wege zu erzwingen, was es bislang weder mit Krieg noch mit Diplomatie erreicht hat: die Anerkennung seiner Souveränität über das Gebiet der Westsahara. Ein solches Vorgehen ist unwürdig, es degradiert die Menschen zum bloßen Spielball.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMigration
:Ein sehr großes Missverständnis?

Eigentlich soll die Grenzschutzagentur Frontex an den Außenposten Europas für Ordnung sorgen - dafür bekommt sie jährlich 460 Millionen Euro. Tatsächlich macht sie vor allem durch Gesetzesverstöße von sich reden.

Von Thomas Kirchner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: