Nahost:Für welche Werte wird hier eigentlich gestorben?

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Die Möglichkeiten zu sterben in Gaza sind so vielfältig wie inakzeptabel: ein zerstörtes Gebäude in Khan Younis. (Foto: Mohammed Dahman/AP)

Meine Freundin in Gaza meldet sich nicht mehr. Ich würde alles geben, um sie da rauszuholen. Wenn ich nur wüsste, dass sie lebt.

Kolumne von Carolin Emcke

Es ist nur noch ein Kreis mit Haken zu sehen. Das ist das Symbol für eine Nachricht, die versendet, aber nicht gelesen wurde. Wären es zwei Kreise mit Haken, wüsste ich zumindest, das Handy ist in Betrieb. Wären es zwei Kreise, die farbig unterlegt sind, wüsste ich, die Nachricht wurde gelesen. Ich schaue jeden Tag. Jede Stunde. Nichts. Ich bin so verzweifelt, ich erwarte nicht einmal mehr eine Antwort. Meine Freundin aus Khan Younis müsste meine Nachrichten nicht einmal lesen. Mir würde das Symbol mit den zwei Kreisen schon reichen, mir würde schon reichen, wenn ich wüsste, sie ist da, irgendwo, inmitten des Sterbens in Gaza, und kann ein Handy anschalten. Wenn sie nicht sprechen kann oder will, das wäre mir mittlerweile fast egal. Was sollte sie auch sagen? Wenn ich nicht einmal mehr weiß, was ich ihr noch schreiben soll. Dass ich alles geben würde, um sie da rauszuholen. Wenn ich nur wüsste, meine Freundin lebt.

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