Energie:Kernkraft in der Sackgasse

Frankreich geht der Strom aus. Und das ist für ganz Europa ein Problem. Statt neue Reaktoren zu planen, könnte man auch die Abhängigkeit von Atomkraftwerken überdenken.

Kommentar von Kathrin Müller-Lancé

Frankreich geht also der Strom aus. Und das, obwohl das Land mit seinen 56 Atomreaktoren eigentlich Elektrizität ziemlich unabhängig von russischem Gas produzieren kann. Problematisch ist indes, wenn von den Reaktoren weniger als die Hälfte funktionieren, weil sie kaputt sind, gewartet werden müssen oder wegen der von der Sommerhitze aufgewärmten Flüsse nicht ausreichend gekühlt werden können. Während Deutschland über den Atomausstieg, den Ausstieg vom Ausstieg und den Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg diskutierte, blieb man im Nachbarland weitgehend unbeeindruckt und setzte nach wie vor auf Atomkraft. Etwa 70 Prozent des französischen Stroms wurden in den vergangenen Jahren von Kernreaktoren produziert. Das macht das Land zwar unabhängig von russischem Gas, aber abhängig von einem maroden Atompark, in dem das Durchschnittsalter der Reaktoren bei mehr als 30 Jahren liegt.

Der Strommangel in Frankreich treibt den Preis europaweit in die Höhe

Und das bekommt jetzt ganz Europa zu spüren. Wegen des Strommangels muss Frankreich nun mehr Strom aus dem Ausland importieren, als es exportiert, auch aus Deutschland. Der französische Strom fehlt auf dem Markt, und das treibt die Preise nach oben - für alle. Die französische Politik reagiert darauf bisher vor allem mit: noch mehr Atom. Aber statt neue Reaktoren zu bauen, könnte man die Krise auch zum Anlass nehmen, die Abhängigkeit vom Atomstrom zu überdenken. Und wenn Deutschland mal wieder über längere Laufzeiten von Atomkraftwerken als Allheilmittel diskutiert, sollte es vielleicht einen Blick ins Nachbarland werfen.

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