Documenta-Skandal:Auf dem Trümmerhaufen

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Eine gerechtfertigte Intervention - oder Zensur? Das Gerüst nach der Demontage des Banners "People's Justice" bei der Documenta im Sommer. (Foto: Uwe Zucchi/dpa)

Nach dem Rücktritt der Documenta-Chefin herrscht Ratlosigkeit. Die Kunst verstrickt sich in schier unauflösbare politische Widersprüche. Wer mag sich das schon antun.

Von Moritz Baumstieger

Mehr als sechs Stunden lang tagte der Aufsichtsrat der Documenta, dann dauerte es noch einen halben Tag, bis bekannt wurde, was Kritiker und zuletzt auch zunehmend Freunde der Weltkunstschau in der hessischen Provinz ersehnt hatten: Der Vertrag von Sabine Schormann wird aufgelöst. Die Generaldirektorin, die den Antisemitismusskandal mit Ansage nicht verhindern konnte und beim anschließenden Krisenmanagement nicht so richtig wollte - sie wird freigestellt.

Vielleicht erklärt sich das lange Schweigen der Verantwortlichen schon durch die große Ratlosigkeit, die auch nach der Demission Schormanns herrscht: Wer nun für die Generaldirektorin übernehmen soll, ist unklar. Und wer immer die Person sein mag, ihre Aufgaben sind immens: Neben der Aufarbeitung müssen nun wegen des großen Zeitdrucks - ein Drittel des auf 100 Tage angesetzten Kunstfestivals ist bald abgelaufen - fast schon Ad-hoc-Entscheidungen über den Umgang mit weiteren in der Diskussion stehenden Werken und Künstlern gefällt werden. Ob das mit dem anscheinend nur schwer greifbaren Kuratorenkollektiv Ruangrupa im Einvernehmen funktionieren kann, ist kaum abzusehen.

Gleichzeitig muss nun für die Zukunft der Weltkunstschau ein neuer organisatorischer Rahmen gefunden werden, der die Kunstfreiheit gewährt, aber gleichzeitig auch Verantwortlichkeiten festschreibt. Und wenn noch irgendetwas Gutes aus dem Kasseler Schlamassel erwachsen soll, so müsste die künftige Documenta-Leitung zumindest versuchen, durch ein Dialogformat die Debatte um die heiklen Themenfelder zwischen postkolonialer Theorie und BDS, globalem Süden und den historisch bedingten deutschen Eigenheiten, zwischen legitimer Israelkritik und handfestem Antisemitismus zu bearbeiten. "Wenn wir das nicht tun, wanken wir von einem Skandal zum nächsten", sagte der bei der Documenta kurzfristig als Berater eingesprungene Antisemitismusforscher Meron Mendel - ehe ihn Schormann vergraulte.

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