Klimagipfel:Anlass zur Hoffnung

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Der Kommentar von Greenpeace: die Erde mit dem Hinweis, dass sie nicht zu verkaufen sei - eine Installation im Konferenzzentrum von Glasgow. (Foto: Jeff J Mitchell/Getty Images)

Die Konferenz von Glasgow könnte als das Ereignis in die Geschichte eingehen, bei dem die Vertreibung von Kohle, Öl und Gas begann. Sofern den Worten nun Taten folgen. Vor allem Deutschland kann mehr - wenn es will.

Kommentar von Michael Bauchmüller

Was ein Erfolg und was ein Misserfolg ist, das ist bei Klimagipfeln immer relativ. Ist nach den zwei Wochen in Glasgow nun die Rettung des Planeten in Sicht? Leider nein. Sind die Staaten im Angesicht der Klimakrise über sich hinausgewachsen? Kaum. Gibt es Anlass zur Hoffnung? Das schon.

Viele haben in Glasgow so etwas wie die letzte Chance im Kampf gegen die Erderhitzung gesehen. Sie werden enttäuscht sein. Andere haben sich Schritte auf dem Weg aus der größten planetaren Krise gewünscht. Diese Schritte gibt es. Denn die Konferenz schlägt ein neues Kapitel im internationalen Klimaschutz auf. Die Staaten bewegen sich weg vom Streit um das Kleingedruckte, hin zu ganz konkreten Schritten. Wie das Kapitel endet, ist ungewiss. Aber es beschreibt einen Aufbruch.

Der Kampf ums Kleingedruckte wäre erst mal erledigt

Das beginnt damit, dass die Regeln des Pariser Klimaabkommens nun endlich stehen. Wie konkret Fortschritte im Klimaschutz vergleichbar werden, wie oft die Staaten neue Pläne hinterlegen, wie sie miteinander kooperieren - all das hat die Konferenz in Glasgow klären können. Regeln sind die Bedingungen für ein gedeihliches Miteinander, egal ob zwischen Menschen oder Staaten. Auch globaler Klimaschutz braucht Regeln, wenn Worten verlässlich Taten folgen sollen.

Damit wird das Feld frei für die eigentliche Herkulesaufgabe des Pariser Abkommens: den Abschied von Kohle, Öl und Gas. Nach dem Kampf ums Kleingedruckte kommt nun der um die Großtaten.

Nichts spiegelt das besser wider als die letzten Stunden der Konferenz - die sich rund um einen Paragrafen zum Kohleausstieg drehten. Gemessen daran, woher die Staaten kommen, ist allein dieser Streit eine Sensation. Viele beziehen nach wie vor einen Großteil ihrer Energie aus der Kohle, planen und bauen weiterhin Kraftwerke. Bis vor ein paar Jahren war selbst in Deutschland die Kohle sakrosankt. Nun beschleunigt sich der Ausstieg, in Europa und weltweit.

Klimaschutz - Bedrohung oder Geschäftsmodell?

Das Pariser Abkommen, sein gegenseitiges Versprechen der Klimaneutralität, entfaltet zunehmend seine eigene Kraft - und das nicht nur in die Staaten hinein, sondern auch bei Industriekonzernen, Banken, Aktionären. Das "race to net-zero" hat begonnen: der Wettlauf zur Klimaneutralität. Klimaschutz wird zum Geschäftsmodell.

In Glasgow zeigt sich das in den vielen Initiativen und Allianzen, die den Gipfel gesäumt haben. Staaten und Unternehmen, die sich gemeinsam von Verbrennungsmotoren oder fossilen Investments verabschieden, die Kapital umschichten oder Wälder schützen wollen - es sind solche Bündnisse, die künftig stärker vortreten werden. Diese Allianzen können, wenn sie ernst gemeint sind, ihre eigene Dynamik entfalten. Sie können diejenigen Staaten und Unternehmen unter Druck setzen, die ihnen fernbleiben. Und sie binden alle, die ihnen beigetreten sind. Sie werden Rechenschaft über das ablegen müssen, was sie tun oder lassen. Je kritischer die Gesellschaft diese Allianzen beäugt, desto kraftvoller können sie werden.

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Mit diesem neuen Kapitel beginnt eine kritische Phase im internationalen Klimaschutz. Glasgow kann als die Konferenz in die Geschichte eingehen, mit der die Vertreibung der fossilen Energien begann, als Aufbruch in eine Zukunft jenseits von Kohle, Öl und Gas. Oder als eine weitere vertane Chance, als weiterer Akt im globalen Illusionstheater des Klimaschutzes.

Deutschland kann mehr - wenn es will

Wie es kommt, das kann nicht den Akteuren letztlich freiwilliger Allianzen überlassen bleiben. Das verlangt Staaten, die Klimaschutz nicht als Last, sondern als Chance zur Modernisierung begreifen. Und die über die Modernisierung ihrer eigenen Volkswirtschaften hinaus auch an diejenigen Länder denken, die ihre eigene Entwicklung nicht mehr auf Kohle und Öl stützen können, weil Industriestaaten das globale Kohlenstoffbudget längst verfrühstückt haben.

Passend zur heißen Phase ihrer Verhandlungen hat die Klimakonferenz deshalb auch eine Reihe von Botschaften für die angehenden Koalitionäre in Deutschland bereit. Dieses Land ist international angesehen für seine Klimapolitik, aber es ist längst nicht mehr führend. Die Energiewende stockt, die Politik klebt am Verbrennungsmotor, das Land hat sich gerade erst an eine weitere Pipeline gehängt, die es mit fossilem Gas versorgt. Es braucht jetzt ein paar klare Richtungsentscheidungen für ein Deutschland, das dem 21. Jahrhundert gewachsen ist, mit sauberer, grüner Energie in den Stromnetzen, auf den Straßen, in Heizungskellern, in der Industrie; und mit einer Landwirtschaft, die Böden, Moore und Artenvielfalt schützt. Deutschland kann mehr, wenn es nur will.

Keine Klimakonferenz allein kann diese Krise lösen, und keine ist die letzte Chance. Denn ob die Welt kollektiv noch die Kurve bekommt, ist die Summe individueller Entscheidungen, von Bürgerinnen und Bürgern, vor allem aber von Regierungen. An sie richtet sich die große Botschaft aus Glasgow: An die Arbeit!

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