Nun hat er es also doch noch geschafft. Armin Laschet hat sich ins Ziel gerettet. Er ist CDU-Vorsitzender geworden - und hat damit gute Chancen, auch der nächste Kanzler zu werden. Das ist sein ganz persönlicher Erfolg. Laschet hat die Delegierten mit einer guten und emotionalen Rede überrascht. Er hat dabei die richtigen Themen gesetzt. Und er hat damit manche Schwäche aus den vergangenen Monaten vergessen gemacht.
Politik sei "keine One-Man-Show", hat Laschet gesagt - und es war klar, gegen wen sich das richtet. Er sei dagegen jemand, der zusammenführe. Er hole "immer alle an Bord - jeder kann groß sein, jeder kann glänzen", die Vielfalt der CDU sei ihre Stärke - das sei sein Konzept.
Das war die Botschaft, die die auf Geschlossenheit hoffenden Delegierten hören wollten. Er sei vielleicht nicht "der Mann der perfekten Inszenierung - aber ich bin Armin Laschet", sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident - darauf könnten sich alle verlassen.
Das haben dann zwar nicht alle Delegierten getan, sondern nur 53 Prozent. Aber zum Triumph über Friedrich Merz und Norbert Röttgen hat es gereicht. Die Union steht in den Umfragen gerade gut da. Das liegt natürlich auch an der Pandemie und an der Kanzlerin. Aber in so einer Lage greifen Delegierte nicht so schnell nach einer reizvollen, aber auch riskanten Lösung. Merz hat die Gabe, mit seinem CDU-Pur- und an einigen Stellen auch CDU-Früher-Angeboten die Herzen von Delegierten zu wärmen. Aber mit seinem wüsten Angriff auf das "Partei-Establishment", das ihn mit Verfahrenstricks zu verhindern trachte, hat er auch eigene Anhänger ins Grübeln gebracht, ob das das Risiko wert ist.
Auf dem digitalen Parteitag gibt es zwei Verlierer und zwei Gewinner. Neben Laschet kann auch Röttgen zufrieden sein. Röttgen war lange nur mitgemeint, wenn es um den nächsten CDU-Chef ging. Seine Kandidatur galt am Anfang als völlig aussichtslos, manchen sogar als lächerlich. Jetzt hat er mehr als 20 Prozent der Stimmen geholt. Und seine Anhänger haben im zweiten Wahlgang dafür gesorgt, dass Laschet CDU-Chef wurde. Im ersten Wahlgang war Merz noch vorne.
Röttgen hatte anders als Laschet keine Staatskanzlei im Rücken. Und im Gegensatz zu Merz konnte er es sich nicht leisten, extra für den Wahlkampf um die CDU-Spitze ein Büro anzumieten und Mitarbeiter einzustellen. Röttgen hat es aber geschafft, ein großes Team junger Ehrenamtlicher um sich zu scharen. Dieser "Röttgang" gelang es, ihren Kandidaten auf Facebook, Twitter und Instagram moderner erscheinen zu lassen als seine Konkurrenten.
Aber auch Röttgens Botschaft hatte ihren Reiz. Er will die CDU wieder politisieren, er will die nach 15 Regierungsjahren erschlaffte Partei wieder ertüchtigen. Wenn durch Digitalisierung, Klimawandel, Migration, Globalisierung und den Aufstieg Chinas kein Stein auf dem anderen bleibe, müsse auch die CDU zu deutlichen Veränderungen in der Lage sein, sagt Röttgen. Die Partei müsse nicht nur digitaler, weiblicher und jünger werden, sie müsse auch wieder der Motor der politischen Debatten werden - statt Erfüllungsgehilfe der Regierung. Der Frust darüber, oft nur Objekt zu sein, hatte bereits dazu geführt, dass in der Unionsfraktion Ralph Brinkhaus gegen den Wunsch Merkels Vorsitzender wurde. Jetzt hat dieser Frust Röttgen zumindest ein sehr respektables Ergebnis verschafft. Laschet sollte Röttgen an wichtiger Stelle einbinden. Denn die CDU braucht nicht nur Laschets Zusammenführen, sie benötigt auch Röttgens Dynamik. Es ist deshalb gut, dass der ehemalige Umweltminister jetzt ins CDU-Präsidium gewählt wurde.
Spahns politisches Foul
Die beiden Verlierer sind Friedrich Merz und Jens Spahn. Merz war sich absolut sicher zu gewinnen - jetzt ist er zum zweiten Mal gescheitert. Sein Traum, einmal CDU-Chef und Kanzler zu werden, ist damit endgültig gescheitert. Und Spahn hat sich auf dem Parteitag mit einem politisch dämlichen Beitrag selbst demontiert. Nach den Bewerbungsreden der drei Kandidaten durften die Delegierten Fragen stellen. Auch Spahn meldete sich, stellte aber keine Frage, sondern machte nur plump Wahlkampf für Laschet.
Spahn wird jetzt glauben, dass er mit seinem Beitrag Laschet über die 50-Prozent-Marke geholfen hat. Tatsächlich aber dürfte er dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten geschadet haben. Delegierte haben ein feines Gespür für politische Fouls. Laschet ist nicht wegen, sondern trotz Spahns Beitrag zum CDU-Vorsitzenden gewählt worden. Kein Wunder, dass Spahn anschließend bei der Wahl der Parteivizes mit einem grottenschlechten Ergebnis abgestraft wurde. Der Überflieger ist abgestürzt, Spahn ist der Ikarus des Parteitags.
Merz hat Laschet zwar fair zum Sieg gratuliert. Aber man darf gespannt sein, ob seine Anhänger wegen des Spahn-Auftritts anfangen werden, die Märtyrer-Legende in Sachen Establishment wiederzubeleben. In jedem Fall hat sich Spahn mit seinem Verhalten an dem versündigt, was Laschet verspricht: Die Partei zu befrieden.
In Nordrhein-Westfalen ist das dem Ministerpräsidenten ja schon gelungen. Der CDU-Landesverband war lange beinahe notorisch zerstritten. Aber Laschet hat es geschafft, alle zusammenzubringen: Die Mittelstandsunion, die Frauenunion, die Junge Union und den Arbeitnehmerflügel. Er regiert sogar mit der manchmal nicht ganz einfachen FDP reibungslos. Trotz der knappen Einstimmenmehrheit stand die Koalition in Düsseldorf noch nie in Frage.
Das ist das Modell, das Laschet jetzt auch im Bund umsetzen will. Wenn Röttgen mithilft und Merz seine Niederlage akzeptiert, könnte das funktionieren. Auch weil die CSU Laschets Wahl mit Wohlwollen aufgenommen hat. Allerdings hat Merz mit seinem "Angebot", im Merkel-Kabinett das Wirtschaftsministerium zu übernehmen, schon wieder für Unfrieden in der Partei gesorgt.
Merz treibt schon wieder einen Keil in die CDU
Eigentlich hatten alle vereinbart, die Personaldebatten nach diesem Parteitag zu beenden. Doch Merz hat gleich die nächste eröffnet. Er weiß, dass die Kanzlerin ihn nicht in der Regierung haben will und er damit Laschet in eine Zwickmühle bringt: Entweder muss der neue CDU-Chef seine Amtszeit mit einem Streit mit der Kanzlerin über die Ressortverteilung beginnen. Oder Laschet steht als derjenige da, der das "Angebot" von Merz ausgeschlagen hat. Der Ex-Unionsfraktionschef treibt einen Keil in seine Partei, um eine Ausrede dafür zu haben, dass er schon wieder davonläuft. Auch nach seiner Niederlage gegen Kramp-Karrenbauer hatte Merz kein Parteiamt übernehmen wollen.
Und die Kanzlerkandidatur? Das wird sich zeigen. Normalerweise steigen die Beliebtheitswerte neu gewählter Parteichefs erst einmal. Annegret Kramp-Karrenbauer war nach ihrer Wahl sogar kurzzeitig Deutschlands beliebteste Politikerin - noch vor der Kanzlerin. Wenn auch Laschet von diesem Effekt profitiert und die CDU bei den anstehenden Landtagswahlen nicht allzu schlecht abschneidet, wird ihm die Kanzlerkandidatur kaum noch zu nehmen sein. Das weiß auch Markus Söder.