Wahlen in Brasilien:Alles - nur kein Knall

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Unterstützer von Bolsonaro am Wahlabend. (Foto: AFP)

In Brasilien braucht es eine Stichwahl - und man fragt sich, wie das Land es bis zu diesem entscheidenden 30. Oktober noch schaffen soll.

Kommentar von Christoph Gurk, Buenos Aires

Es war früher Vormittag, als Jair Bolsonaro am Sonntag im Norden von Rio de Janeiro zum Wählen ging. Der brasilianische Staatschef und erneute Kandidat für die Präsidentschaft erschien dabei im Trikot der brasilianischen Fußballnationalmannschaft, so weit nicht ungewöhnlich: Das gelbe Sporthemd ist längst zu einem Erkennungszeichen der brasilianischen Rechten geworden.

Darunter trug Jair Bolsonaro aber wohl auch eine kugelsichere Weste, das zumindest legen Fotos nahe. Das Traurige ist: Auch das ist in Brasilien längst zu einem Stück Normalität geworden. Auch andere Kandidaten mussten sich bei der Stimmabgabe so schützen.

Das zeigt, welch schwere Prüfung nun Südamerikas größter Demokratie bevorsteht: Die Präsidentschaftswahl in Brasilien galt schon zuvor als eine Schicksalsentscheidung, ein Scheideweg, an dem festgelegt wird, welchen Kurs das Riesenland in den nächsten Jahren und vielleicht sogar Jahrzehnten nehmen wird.

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Seit Sonntag ist nun also klar, dass es eine Stichwahl geben wird. Aus dem Urnengang ist nun endgültig ein Duell geworden, kein Wahl-, sondern ein Zweikampf, Mann gegen Mann. Auf der einen Seite der stramm rechte Amtsinhaber Jair Bolsonaro, auf der anderen der gemäßigt linke Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva.

Knapp ein Monat ist es noch bis dieser zweiten Runde, und wenn man bedenkt, wie gespannt die Stimmung in Brasilien in den letzten Wochen schon war, fragt man sich, wie das Land es bis zu diesem entscheidenden 30. Oktober noch schaffen soll.

Mehrmals ist im Vorfeld der Wahl die Anspannung schon in Gewalt umgeschlagen. Im Juli erschoss ein Anhänger von Jair Bolsonaro ein Mitglied von Lulas linker Arbeiterpartei. Anfang September dann gingen zwei Arbeitskollegen nach einem Streit über Politik aufeinander los, am Ende war einer verletzt und der andere tot. Es gibt Schlägereien, Streit, Anfeindungen und Schimpftiraden.

2018 schon wurde der damals noch als Außenseiter geltende rechte Kandidat Jair Bolsonaro bei einer Wahlkampfveranstaltung von einem Attentäter mit einem Messer verletzt. Nicht auszumalen, was passieren würde, sollte sich so ein Angriff bei diesen Wahlen wiederholen.

Brasilien stehen schwere Zeiten bevor. Sowohl der aktuelle Amtsinhaber als auch sein Herausforderer werden noch bestimmter um Wähler kämpfen. Zwischentöne wird es dabei kaum mehr geben, und man kann nur hoffen, dass es am Ende nicht zu einem Knall kommt.

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