Berlin:Der Mann für alle Krisenfälle

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Der frühere Feuerwehrchef Albrecht Broemme baute schon die Berliner Impfzentren auf, jetzt soll der Pensionär auch die Flüchtlinge in der Hauptstadt unterbringen.

Von Verena Mayer, Berlin

Unter dem Stichwort "wohlverdienter Ruhestand" hat sich Albrecht Broemme etwas anderes vorgestellt. Als der 68-Jährige Ende 2019 in Pension ging, blickte er auf ein Berufsleben als Chef der Berliner Feuerwehr und Präsident des Technischen Hilfswerks zurück und wollte sich danach um seinen Garten kümmern und Cello spielen. Das klappte gerade mal einige Monate. Dann bat das Land Berlin Broemme zurück in den Dienst, damit er erst ein Corona-Notfallkrankenhaus und später die Impfzentren der Hauptstadt aufbaut. Und jetzt, da täglich Tausende Menschen aus der Ukraine in Berlin ankommen, ist der Pensionär wieder gefragt: Er soll die Unterbringung der Flüchtlinge koordinieren, als Mann für alle Krisenfälle gewissermaßen.

Warum es schon wieder an Broemme ist, einen der kompliziertesten Jobs Berlins zu machen, ist klar: Die Berliner Impfzentren gehörten zu den wenigen Dingen der Berliner Verwaltung, die wirklich gut funktioniert haben, und auch in Kommunen kennt man die alte Sportweisheit: Never change a winning team. Und so macht sich Broemme dieser Tage an den nächsten Kraftakt seines Lebens: Die vielen Geflüchteten aus der Ukraine so schnell wie möglich unterzubringen.

Dazu gehört etwa, den früheren Flughafen Tegel zu einer Flüchtlingsunterkunft umzugestalten. Der Flughafen ist nach seiner Schließung Ende 2020 eine Baustelle, unter dem Titel "Urban Tech Republic" sollen ein Forschungs- und Industriequartier sowie ein Wohnviertel mit Grünraum entstehen. Doch nun stehen dort bereits mehrere Hundert Betten, in den kommenden Wochen wird in Tegel ein Ankunftszentrum für ukrainische Geflüchtete mit bis zu 7500 Schlafplätzen aufgebaut. Ein Teil der Menschen soll im sechseckigen Flughafengebäude unterkommen, ein Teil in einer Zelt- und Containerstadt auf dem ehemaligen Rollfeld.

Broemme hat Elektrotechnik studiert und wurde Feuerwehrmann, weil er Menschen helfen wollte. Sein Kindheitstraum sei es allerdings gewesen, als Spielwarenverkäufer zu arbeiten, hat er einmal erzählt. Ein bisschen konnte er daran anknüpfen, als er die Impfzentren plante. Da hat Broemme nämlich mit Legosteinen und Legomännchen so lange Modelle gebaut, bis er sich dachte: Das könnte funktionieren. Es funktionierte, und Broemmes Legoblaupause der Impfzentren wurde in ganz Europa weitergereicht. Jetzt ist weniger Zeit für Legomodelle, es sei vor allem sein Ziel, "vor die Lage zu kommen", wie er der Berliner Zeitung sagte.

Erfahrung mit Großlagen hat Broemme. Für das Technische Hilfswerk war er bei Erdbeben, Überflutungen und Bränden im Einsatz. Er half bei der Fußball-WM in Deutschland 2006 und baute Flüchtlingslager in Jordanien und im Irak mit auf. Auch historische Verwerfungen sind ihm nicht fremd, als er Anfang der Neunzigerjahre seinen Dienst als Landesbranddirektor in Berlin antrat, musste er erst einmal die Institutionen in Ost und West zusammenführen. Und er wurde zum Gesicht der Berliner Feuerwehr, weil er bei Großeinsätzen stets Präsenz zeigte.

Bei öffentlichen Auftritten wie der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 2020 sah man einen unprätentiösen Mann, dem man die hessische Herkunft anhört und den nichts aus der Ruhe zu bringen scheint. Der sich aber auch nicht scheut, unangenehme Wahrheiten anzusprechen. So äußerte er in einem Interview mit dem Handelsblatt kürzlich, dass er entsetzt sei, wie schlecht Deutschland auf Krisensituationen vorbereitet sei und wie naiv Politik und Gesellschaft etwa an die Themen Cybersicherheit oder Telekommunikation herangingen. "Wie bei der äußeren Sicherheit bräuchten wir auch beim Zivilschutz kontinuierlich zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts, um den Menschen die Sicherheit im Krisenfall zu geben, die sie zu Recht erwarten."

Kurz nach seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben sagte der Vater von zwei erwachsenen Kindern, er erwarte von seiner Rente eine große Veränderung: Dass er sein Handy nicht mehr jede Nacht links neben seinem Bett liegen haben müsse. So wie die Weltlage gerade ist, wird er darauf noch eine Weile warten müssen.

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