Bahnverkehr:Er plant den großen Streik

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An diesem Dienstag will der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, Claus Weselsky, nach einer Urabstimmung bekannt geben, was dem Land droht. (Foto: AFP)

GDL-Chef Claus Weselsky steuert seine Lokführergewerkschaft ausgerechnet in der Ferienzeit in einen heftigen Arbeitskampf. Er wolle wirklich Gas geben, sagt er. Das verheißt nichts Gutes.

Von Markus Balser

Er weiß, was es heißt, die Wut eines ganzen Landes auszuhalten. Der GDL-Chef hat für die Interessen seiner Lokomotivführer in der Vergangenheit schon oft mit harten Bandagen und langen Streiks gekämpft. Als "Größen-Bahnsinnigen" oder "Dämonen-Weselsky" beschimpften Boulevardzeitungen Claus Weselsky. Der hat seine Wege gefunden, damit umzugehen. Als die Bild-Zeitung auch noch seine Telefonnummer für Beschwerden abdruckte, ließ er die Anrufe kurzerhand auf den damaligen Bahnchef Rüdiger Grube umleiten.

In dieser Woche wird Weselsky die Nerven seiner Landsleute aufs Neue strapazieren. An diesem Dienstag um elf Uhr will der Bundesvorsitzende der Lokführergewerkschaft nach einer Urabstimmung bekannt geben, was dem Land droht. Gut möglich, dass es der härteste Streik sein wird, den die Bahn seit Langem erlebt hat. Schon Ende der Woche könnten Züge im großen Stil im Depot bleiben. Ein Streik passt nie. Aber jetzt? Mitten im Reiseverkehr, wo die Corona-Lage gerade wieder Reisen ermöglicht?

Für Weselsky ist die Sache klar: Es muss sein. Am Telefon rauscht der GDL-Chef in perfekter Streckenkenntnis durch den Tarifstreit. Bei dem geht es wieder um mehr Lohn und bessere Bedingungen für seine Leute. Erst recht angesichts der hohen Inflationsrate. Was Weselsky nicht an die große Glocke hängt: Es steht diesmal noch mehr auf dem Spiel. Sein Lebenswerk.

Deutschlands bekanntester Lokführer hat die GDL seit 2008 zur vielleicht mächtigsten Spartengewerkschaft des Landes gemacht. Sie dehnte ihren Einfluss von Lokführern bei der Bahn auch noch auf das übrige Zugpersonal aus. Derzeit versucht sie auch andere Berufsgruppen anzusprechen. Gut möglich, dass sie damit Erfolg hat. In den eigenen Reihen gilt Weselsky als "Robin Hood" im Kampf gegen das Management. Bei Gewerkschaftswahlen kommt er immer wieder auf 90 bis 95 Prozent Zustimmung.

Doch ein Gesetz, das die Bahn derzeit erstmals anwendet, könnte den Einfluss seiner Gewerkschaft massiv beschneiden. Es macht der kleineren der beiden wichtigen Bahngewerkschaften das Leben schwer. In vielen Betrieben könnte künftig nur noch der Tarifvertrag mit der größeren Gewerkschaft EVG gelten. Der Einfluss der GDL würde wohl dahinschmelzen.

Bei der Bahn weiß man, dass es vor allem deshalb gefährlich wird. Seit Monaten spitzt sich der Streit schon intern zu und spaltet auch die Belegschaft. Daran hat Weselsky mit scharfer Wortwahl seinen Anteil. Für ihn sind Unternehmen und Gewerkschaften keine Sozialpartner. Sie sind seit jeher Gegner. Erst wenn das Gegenüber mürbe ist, beginnt der Stratege Weselsky Gespräche über Kompromisse. Weselskys Kampfbereitschaft entspringt dabei nicht dem linken Lager. Der 62-Jährige gilt als eher konservatives Mitglied der CDU.

Auch wohlmeinende Beobachter fragen sich inzwischen, wie Weselsky gesichtswahrend aus der Eskalation herauskommen will. Die Bahn will ihm zwar entgegenkommen. Das Gesetz aber kann sie nicht aushebeln. Zudem müsste auch die Konkurrenzgewerkschaft EVG einem Kompromiss zustimmen. Viele Fürsprecher hat Weselsky dort nicht mehr. Die Lage im Konzern wirkt ausgerechnet in der größten Krise der Deutschen Bahn nach den Corona-Milliardenverlusten inzwischen so verfahren wie lange nicht.

Die Kunst des Lokführers sei gar nicht das Fahren, hat Weselsky mal gesagt. Die Kunst sei das Bremsen. "Dass Sie den Zug so hinsetzen, dass die Fahrgäste nicht herumgeworfen werden." Seit 1992 saß Weselsky als Betriebsrat und Gewerkschaftsfunktionär nicht mehr selbst im Führerstand eines Zugs. Bei der Bahn hoffen die Verhandler, dass er die Bremsmanöver auch als Funktionär nicht verlernt hat. Und Weselsky? Der beendet das Telefonat mit einem Satz, der für die Bahn nichts Gutes verheißt: Es tue ihm leid. Aber er müsse sich nun um den Tarifstreit kümmern - und wirklich Gas geben.

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