Profil:Hans-Ulrich Rülke

Lesezeit: 2 Min.

Verächter der Grünen, der jetzt unbedingt mit ihnen regieren will.

Von Claudia Henzler

Er wird im Landtag von Baden-Württemberg für seinen oft schonungslosen Witz gefürchtet. Bei der jüngsten Sondersitzung zu Corona trifft es den CDU-Innenminister Thomas Strobl, der neben dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann auf der Regierungsbank sitzt. Strobl ist kein Landtagsabgeordneter, weil er 2016 aus dem Bundestag ins grün-schwarze Kabinett nach Stuttgart kam. Auch dem neuen Landtag wird Strobl nicht angehören; er konnte bei der Wahl am 14. März in seinem Wahlkreis kein Mandat erringen.

"Herr Strobl, wollten Sie eine Zwischenfrage stellen?", fragt der FDP-Redner Hans-Ulrich Rülke also in der Plenardebatte genüsslich, um dann schnell hinterherzuschicken: "Ah, Sie dürfen ja nicht..." Und weil Rülke keine Pointe verschenkt, legt er gleich nach. "Herr Strobl, Zwischenrufe sind nicht erlaubt. Leider auch nicht im nächsten Parlament, da Sie ja den Einzug verfehlt haben."

Kretschmann warf er "Totalversagen" vor

Rülke, 59, ist seit 2009 Fraktionsvorsitzender der FDP und hat mit seiner Freude an Übertreibungen, die oft die Grenze zum Populismus überschreiten, erreicht, dass die kleinste Oppositionspartei viel Aufmerksamkeit bekam. Den Status "kleinste" kann die FDP demnächst abgeben. Im neuen Landtag wird sie einen Abgeordneten mehr stellen als die AfD.

Jahrelang hat sich Rülke an Kretschmann und dessen Regierungen abgearbeitet. Er warf ihm "Totalversagen auf allen Feldern der Landespolitik" vor, nannte ihn "Winfridos Kretschmannakis" (in Anspielung auf Griechenlands Schuldenpolitik), "Häuptling gespaltene Zunge" und den "letzten Mohikaner des Shutdowns".

Rülke versteht sich als Wirtschaftsliberaler, er propagiert eine Politik, die mit Anreizen arbeitet und auf Eigenverantwortung setzt. Das gilt auch für die Corona-Pandemie, angesichts derer sich die FDP zuletzt gegen die Notbremse und Ausgangssperren aussprach. Die Grünen hat Rülke immer wieder als "Verbotspartei" gegeißelt. Jetzt aber will er Minister in einem grün geführten Kabinett werden.

Jetzt will er unter dem Grünen-Regierungschef Minister werden

Es ist möglich, dass dies auch so kommt. Nach drei Sondierungsrunden will Kretschmann noch vor Ostern entscheiden, ob er mit SPD und FDP in Verhandlungen über eine Ampelkoalition einsteigt oder es lieber noch einmal mit der CDU versucht.

Wie Kretschmann war Rülke mal Gymnasiallehrer. Aufgewachsen ist er in einem kleinbürgerlichen, SPD-nahen Milieu. Für die FDP begeisterte er sich beim Studium in Konstanz, wo er mit dem liberalen Hochschulprofessor Ralf Dahrendorf in Kontakt kam. Er studierte Deutsch, Geschichte, Politik und Soziologie und promovierte in Germanistik über den Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock. In Pforzheim gehört Rülke schon seit 1999 dem Gemeinderat an. 2006 zog er in den Landtag ein.

Mit dem ehemaligen CDU-Ministerpräsidenten Stefan Mappus, wegen seines robusten Politikstils auch in der Union umstritten, war Rülke freundschaftlich verbunden. Beide begannen in der Kommunalpolitik und stiegen dann im Landtag auf, sie arbeiteten in zwei schwarz-gelben Regierungen zusammen. Nach dem Ende des CDU-FDP-Bündnisses 2011 wütete der FDP-Politiker geradezu gegen die grün-rote Koalition und beschimpfte die Regierenden als "Lügner" und "Heuchler". Dafür handelte er sich den Namen "Brüllke" ein.

Respekt auch von der SPD

Auch heute reitet Rülke noch immer manch unseriöse Attacke, tritt aber gemäßigter auf. Das liegt wohl vor allem an der AfD, die 2016 in den Landtag einzog und die anderen Parteien zusammenrücken ließ. So stellte sich Rülke einmal entschlossen vor die SPD, als diese von dem rechtsradikalen Abgeordneten Stefan Räpple angegriffen wurde. Es habe eine Zeit gegeben, so Rülke damals, in der "saßen die Vorgänger dieser Abgeordneten im KZ, weil sie gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz gestimmt haben, und die geistigen Vorläufer von Leuten wie Herrn Räpple sind im Stechschritt durch das Brandenburger Tor marschiert". Das hat ihm damals viel Respekt eingebracht.

Ob ihm nun Kretschmann so viel Vertrauen entgegenbringt, dass er zu einer Koalition mit der FDP bereit ist, wird Rülke bald wissen.

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