Es ist erst einen Sommer her, und doch sind die Bilder fast schon aus dem Bewusstsein geschwunden: Verzweifelte Menschen im Kabuler Flughafen und davor, die siegestrunkenen Taliban mit ihren Kalaschnikows, die Evakuierungen. Das größte Militärbündnis der Gegenwart war in die Knie gegangen vor einem zähen, all seine Verluste einfach hinnehmenden Feind. Was die Taliban seither in Afghanistan anrichten, entspricht vielleicht nicht den allerschlimmsten Erwartungen und ist doch schlimm genug. Frauen werden wieder als Menschen zweiter Klasse behandelt, Oppositionelle verfolgt, und die Zivilgesellschaft, die in den 20 Jahren des internationalen Militäreinsatzes zaghaft aufgeblüht war, ist wieder stark beschädigt.
Der Einsatz Deutschlands stand und fiel mit der Haltung der USA
Wenn nun in Deutschland Parlamentarier, Journalisten und Wissenschaftler die Gründe des Debakels ausloten, darf man eines nicht vergessen: Die Bundesrepublik gehörte zwar zu den Führungsnationen erst des Kampfeinsatzes und dann der Ausbildungsmission, beide aber standen und fielen mit der Haltung der USA. Erst zog Präsident Barack Obama aus innenpolitischen Gründen die Kampftruppen ab. Dann ließ Donald Trump 2020 in Doha ebenfalls aus innenpolitischen Gründen ein närrisches Abkommen mit den Taliban aushandeln, das Afghanistan und seine Menschen den Islamisten als Beute vorwarf. Die afghanische Regierung wurde nicht gefragt.
Daran und am rasanten Machtverfall der afghanischen Regierung hätte die Bundesregierung nichts ändern können. Dennoch gibt es auch für die Deutschen viel aufzuklären: Wie konnte es zum Chaos der letzten Einsatzwochen kommen? Und vor allem: Wer ist schuld daran, dass so viele Helfer, die "Ortskräfte", nicht zeitig aus dem Land geholt wurden? Die Soldaten der Bundeswehr hatten oft genug gewarnt, dass ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von der Rache der Taliban bedroht sein würden. Doch kaum jemand in Berlin hörte darauf. Diese Schande wird mit dem deutschen Einsatz verbunden bleiben.