AfD:Rechte Risse

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Die härtere Gangart des Verfassungsschutzes trifft eine zutiefst gespaltene Partei. Ein Bruch scheint kaum noch zu verhindern zu sein. Ist Jörg Meuthen das erste Opfer?

Von Markus Balser

Ein Lauschangriff war in den vergangenen Tagen gar nicht nötig, um zu erfahren, wie blank die Nerven in der größten deutschen Oppositionspartei liegen. Die Nachricht über die härtere Gangart des Verfassungsschutzes gegen die gesamte AfD war gerade publik geworden, da begann auch schon die öffentliche Abrechnung - nicht etwa die mit den Behörden. Zuerst waren interne Rechnungen zu begleichen. Bei Twitter gingen AfD-Chef Jörg Meuthen und ein führender Parlamentarier des rechten Lagers im Streit über den Parteikurs aufeinander los. Ihnen sprangen viele Unterstützer zur Seite.

Der öffentliche Eklat zeigt: Acht Jahre nach ihrer Gründung schlittert die AfD ausgerechnet in diesem Superwahljahr in die wohl tiefste Krise ihrer noch jungen Geschichte. Mit der Entscheidung des Verfassungsschutzes, die Gesamtpartei als rechtsextremen Verdachtsfall zu führen, verhärten sich nicht nur die Fronten zwischen dem Lager von Parteichef Jörg Meuthen und seinen noch rechteren Gegnern um die Fraktionschefs Alexander Gauland und Alice Weidel sowie Co-Chef Tino Chrupalla.

Das Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr

Es wird auch deutlich, dass das politische Geschäftsmodell der Partei zur Disposition steht, Bürgerliche und Extreme gleichermaßen anzusprechen. Einschleusen von Störern ins Parlament, Verharmlosen der Nazi-Gräuel: Solche Tabubrüche und deren Relativierung waren bislang so etwas wie das Lebenselixier dieser Partei. Bei den Wahlkämpfen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sowie der Bundestagswahl im Herbst steht die Partei nun unter Beobachtung. Ihr haftet das behördliche Stigma des Rechtsextremismus-Verdachts an.

Welche Spuren das langfristig hinterlassen kann, zeigt das Beispiel der Republikaner. Die wurden von 1992 bis 2006 als Verdachtsfall des Verfassungsschutzes geführt. Sie verloren kontinuierlich Mitglieder und Wähler und spielen heute kaum noch eine Rolle. Ob sich das bei der AfD bereits in den nächsten Monaten an der Wahlurne ähnlich auswirkt, oder ob sie erst einmal von einer Trotzreaktion ihrer Wähler profitiert, ist derzeit völlig offen.

Sicher ist jedoch: Die Lagerkämpfe innerhalb der AfD werden sich in den kommenden Monaten verschärfen. Man macht sich gegenseitig den Vorwurf, verantwortlich zu sein dafür, dass die Hochstufung durch den Verfassungsschutz nicht verhindert werden konnte. Zu beobachten sind zwei Strömungen, die sich kaum mehr wünschen, als dem Gegner in den eigenen Reihen zu schaden. Das hat Folgen auch für die Parteispitze.

Die Partei taumelt führungs- und ziellos

Bernd Lucke war der erste Parteichef, der den Drall nach rechts bremsen wollte; er gab 2015 auf. Zwei Jahre später scheiterte Frauke Petry mit dem Versuch, die AfD nach rechts außen abzugrenzen. Nun schießt sich das rechte Lager auf Jörg Meuthen ein, der die Gangart gegen Extremisten verschärft hatte. Offen denken seine Gegner nun darüber nach, ihn auf dem Parteitag Ende des Jahres abzulösen.

Die Partei taumelt führungs- und ziellos in die Wahlkämpfe. Die AfD konnte sich weder auf Spitzenkandidaten einigen, noch hat sie ein Programm für die Bundestagswahl verabschiedet. Ob die äußerst Rechte noch einmal erstarken kann, ist fraglich, sie hat zuletzt in den Gremien an Einfluss verloren. Doch sie wird ihre Chance suchen und die Machtfrage stellen. Am Ende könnten die Risse in der Partei so tief sein, dass ein Bruch nicht mehr zu verhindern ist.

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