Die Journalistin Corinna Milborn, 43, ist Info-Chefin des österreichischen Privatfernsehsenders Puls 4. In ihrer Gesprächssendung "Pro & Contra" interviewte sie am 21. November den Bundespräsidentschaftskandidaten der FPÖ, Norbert Hofer, eine Woche später den gegnerischen Kandidaten Alexander Van der Bellen. Schon während des Gesprächs mit Hofer kritisierte der sie mehrmals, nicht objektiv zu sein. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache schrieb anschließend auf Facebook von "Systemmedienmanipulation", in den Kommentaren darunter war viel von "Verhörmethoden" zu lesen.
SZ: Hat Sie die Kritik an Ihrem Interview mit Norbert Hofer überrascht?
Corinna Milborn: Nein, wenn man jemanden von der FPÖ interviewt und das nach journalistischen Kriterien tut - so wie man jeden anderen Politiker auch interviewen würde -, dann ist damit zu rechnen, dass man wenigstens ein paar tausend negative Kommentare und wahrscheinlich einen Artikel auf einer rechten Internetseiten abbekommt.
In dem Interview stellen Sie kritische Fragen und haken oft nach. Was gemeinhin als die Grundaufgabe der Medien gilt, halten offenbar viele Österreicher zurzeit für Parteilichkeit.
Hauptsächlich kommt das von der FPÖ selbst und von ihren vielen Anhängern. Wobei die Reaktionen durchaus auch ein bisschen gesteuert sind. Herr Strache hat ja sehr viele Facebook-Fans. Wenn er von "Systemmedienmanipulation" schreibt, dann trifft das dort auf fruchtbaren Boden.
Woher kommt dieses unterschiedliche Verständnis von journalistischer Objektivität?
Die FPÖ hat insgesamt ein angespanntes Verhältnis zur freien Presse. Ihre Grunderzählung ist, dass sie von den "Systemmedien" - ein Nazibegriff übrigens - schlecht behandelt wird, weil sie gegen das sogenannte System kämpft. Diese Behauptung versucht sie unterzubringen, sobald ihr ein Bericht oder Interview nicht passt. Die Objektivität in einem Interview kommt ja dadurch zustande, dass der Interviewte Raum für Antwort und Stellungnahme hat. In Österreich ist das sogar in einem Verfassungsgerichtshofsbescheid festgehalten. Deswegen ist es auch Aufgabe des Journalisten, auf einer Antwort zu bestehen. Und genau das habe ich im Interview mit Hofer gemacht.
Der Versuch, die Massenmedien zu diskreditieren, ist ja eine gängige Strategie populistischer Politiker, von der AfD bis Trump. Wie sollte man darauf reagieren?
Ich kann nur sagen, wie ich darauf reagiere. Ich versuche, mich davon frei zu machen. Norbert Hofer ist als Dritter Nationalratspräsident und Kandidat zur Bundespräsidentschaft Teil der Macht in Österreich. Das heißt, es ist eine ganz absurde Erzählung, dass er nicht dazu gehören würde und ich schon. Ich versuche, wenn so etwas im Interview kommt, es möglichst zu thematisieren und Transparenz herzustellen. Also, zu erklären, warum ich die Fragen stelle, wie ich sie stelle. Ich habe, glaube ich, drei Mal erklärt, warum ich es für wichtig halte, angebliche Verbindungen ins rechtsextreme Milieu zu thematisieren, warum das ein Problem wäre bei einem Bundespräsidentschaftskandidaten. Die Hoffnung ist, dass die Zuschauer diese Kampfstellung durchschauen, die die Populisten versuchen gegen Medien aufzubauen.
Trotzdem standen Sie ja vor einem Dilemma, als Sie eine Woche später den Gegenkandidaten interviewten. Alexander Van der Bellen vertritt gemäßigtere Positionen in einem gemäßigteren Ton. Darauf reagiert man doch dann auch anders, oder?
Auch bei diesem Interview habe ich versucht, mich frei zu machen von dem Druck, der von FPÖ-Seite aufgebaut worden ist - so nach dem Motto: Jetzt wollen wir mal sehen, ob sie den genauso hart rannimmt. Ich habe auch bei Van der Bellen die Sachen gefragt, die auf dem Tisch lagen, und nachgehakt, wenn er sie nicht beantwortet hat. Wenn er die Fragen aber beantwortet, wäre es auch falsch, künstlich ein Theater aufzuführen. Das sind einfach zwei völlig unterschiedliche Kandidaten.
Sie hatten vor dem Interview in den sozialen Medien angekündigt, jede einzelne "Vergewaltigungs- und Mord-Drohung, Beleidigung und Rufschädigung" anzuzeigen. Was hat Sie zu dieser Warnung bewogen?
Diese ganze Hass-im-Netz-Thematik trifft in meinem Fall nur dann zu, wenn es um die FPÖ geht und Herr Strache etwas über mich postet. Das ist dann wie ein Startschuss zu einem Massenangriff. Da kommen Tausende Kommentare, viele von gefälschten Profilen, außerdem sehr viele von Leuten, die das Interview gar nicht gesehen haben, aber einfach mitmachen. Die allermeisten diffamierenden Kommentare sind allerdings nicht klagbar, sondern genau an der Grenze des Klagbaren.