TV-Kritik: Neue Spielshow im ZDF:Pilawa und der Millionenschlucker

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In seiner ZDF-Show "Rette die Million!" ist Jörg Pilawa eine Art Anti-Jauch - und das ist kein Kompliment. Der Moderator ist so brav wie seine Kandidaten. Nervenkitzel entsteht nur, wenn Geld im Schacht verschwindet.

J. Schmieder

Nein, Jörg Pilawa erscheint nicht mit Zottelbart und Ludwig-van-Frisur, wie es Harald Schmidt nach seiner Fernsehabstinenz getan hat. Pilawa trägt bei der ersten Folge von Rette die Million! zwar längeres Haar, das aber derart adrett geföhnt ist, dass er sowohl als Schwiegersohn als auch als Schwiegervater in 90 Prozent aller deutschen Familien aufgenommen würde.

Premiere im ZDF: Moderator Jörg Pilawa wechselt ins Zweite - und startet seine Show "Rette die Million!"   (Foto: dpa)

Zu Beginn der Sendung kommen Susanne und Ralf auf die Bühne, die ein wenig so aussieht, als hätte darauf Captain James T. Kirk vor mehr als 40 Jahren die Enterprise gesteuert. Susanne und Ralf sind freundlich, nett und bieder - also so etwas wie Jörg Pilawa als Pärchen. "Na ja", sagt Ralf, als er das Geld sieht, das vor ihm herumliegt. Susanne ergänzt: "Schon viel!" Das ist nun selbst dem unaufgeregten Pilawa zu unaufgeregt: "Sie können durchaus Ihre Freude zum Ausdruck bringen, wenn Sie so viel Geld sehen."

Das Spielprinzip klingt zunächst wie die Antiklimax-Version von Wer wird Millionär: Das Kandidatenpaar bekommt eine Million Euro überreicht. In bar. "Echte Scheine, nicht nummeriert", wie Pilawa betont. Er behandelt das Geld, als wäre es der Heilige Gral der Fernsehunterhaltung - was irgendwie auch stimmt, schließlich gibt es kaum noch eine Show im deutschen Fernsehen ohne Gewinnmöglichkeiten in grotesker Höhe. "22 Kilo Bargeld" sagt Pilawa noch einmal.

Acht Fragen müssen die Kandidaten beantworten, es gibt keinen Joker und keine Möglichkeit zum Aussteigen. Sie sollen das Geld innerhalb von 60 Sekunden jeweils auf die möglichen Antworten verteilen - nur ein Feld muss frei bleiben. Susanne und Ralf etwa setzen bei der Frage, wer einst die freie Republik Wendland ausrief, 600.000 Euro auf "FKK-Anhänger", 375.000 Euro auf "Atomkraftgegner", 25.000 Euro auf "Heimatvertriebene" - und nichts auf "Zeugen Jehovas". Nur eine Antwort ist richtig und das darauf gesetzte Geld dürfen die Kandidaten zum Weiterspielen behalten. Weil Atomkraftgegner die freie Republik Wendland gründeten, bleiben Susanne und Ralf 375.000 Euro.

Nur: Sie haben in genau diesem Moment auch 625.000 Euro verzockt.

Genau darin liegt der Reiz von Rette die Million!: Es geht während des Spiels nicht darum, möglichst viel Geld zu gewinnen, sondern möglichst wenig zu verlieren. Als die 625.000 Euro den gläsernen Schacht hinunterrauschen und die Kamera dem verzockten Geld in wilder Fahrt folgt, da ist eine Starre im Gesicht von Susanne und Ralf zu sehen, die man sonst nur von Mario Gomez nach einer vergebenen Torchance kennt. Die Starre löst sich erst, als Susanne und Ralf entdecken, dass ihnen noch Geld bleibt zum Weiterspielen. "Das ist immer noch viel Geld", beruhigt Pilawa.

Ein weiterer Unterschied zu Wer wird Millionär ist neben der Tatsache, dass die Fragen unlustig sind und im Spielverlauf nicht wirklich kniffliger werden, das Verhalten des Moderators. Günther Jauch spielt mit seinen Kandidaten, er zockt, er verführt sie zum Gebrauch von Jokern, er lockt sie auf die falsche Fährte, er ist bisweilen gar diabolisch und gehässig - und manchmal genügt eine hochgezogene Augenbraue, um den Zuschauer wissen lassen, was er von den Erklärungsversuchen seines Gegenübers hält.

Pilawa tut das nicht. Er ist nicht wirklich dabei, er fiebert nicht mit, er ist nicht einmal gehässig. Er steht nur daneben, während die Kandidaten Geld über die Antwortfelder schubsen. Wenn er doch einmal eingreift, dann nicht, um verunsichern oder zu zocken, sondern um zu helfen. "So viele Striche passen doch nicht auf so ein kleines Schild", sagt er, als die Spieler sich nicht sicher sind, wie viele schwarze Streifen auf dem Verkehrsschild sind, das einen Zebrastreifen symbolisier.

Das ist sehr nett, der Spannung indes nicht wirklich förderlich. Pilawa verspricht einem Kandidatenpaar Eintrittskarten für Borussia Mönchengladbach, einem anderen zwei Flaschen Schnaps. Keine Spur von Schadenfreude oder wenigstens Mitleid, wenn Geld durch den Schacht rauscht. Aber was soll man auch von einem erwarten, der in der vergangenen Woche bei Markus Lanz saß und als lustigste Anekdote seiner zehnmonatigen Pause erzählte, dass er einmal einen Tag lang in T-Shirt und Unterhose durch ein neuseeländisches Dorf gelaufen ist?

Es ist eine brave Sendung mit einem braven Moderator und braven Kandidaten. Auf Susanne und Ralf (Gewinn am Ende: 100.000 Euro) folgen die blonden Freundinnen Birgit und Miriam, die 75.000 Euro gewinnen, weil sie bei der letzten Frage wissen, dass blonde Menschen mehr Haare auf dem Kopf haben als brünette.

Zuletzt dürfen Mutter und Tochter mit Pilawa spielen, auch sie nehmen Geld mit nach Hause: 250.000 Euro dafür, dass die beiden richtig lagen, als sie auf "rot" setzten bei der Frage, welche Farbe in den Staatsflaggen der UN-Länder häufiger vorkommt - rot oder blau. Pilawa freut sich routiniert.

So sind am Ende alle glücklich, weil bei der Premierensendung alle Kandidaten Geld gewonnen haben und das Fernsehpublikum das bekommen hat, was es erwarten konnte. Es ist ein bisschen wie bei einem Formel-1-Rennen: Der Zuschauer hofft auf etwas Spektakuläres, Atemberaubendes, Mitreißendes - weiß aber, dass im Grunde nur Autos im Kreis herumfahren werden - eineinhalb Stunden lang.

425.000 Euro hat das ZDF an die Mitspieler ausgeschüttet bei dieser ersten Sendung. In diesem Jahr soll es noch zwei Episoden geben, für 2011 sind 20 Folgen geplant. Pilawa soll im Zweiten vor allem Rette die Million! und vereinzelt Spezialsendungen am Samstagabend moderieren.

In der ARD moderierte Pilawa jedes Showformat, das es im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gibt: eine Datingshow ( Herzblatt), eine Talkshow ( NDR Talk Show) und eine Quizshow ( Das Quiz). Das ZDF wolle ihn nach der Pause nicht verheizen, hieß es vor der ersten Show - die leider weniger interessant war als Pilawas Shorts-und-Shirt-Anekdote aus dem Neuseeland-Urlaub.

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