TV-Kritik: Hirschhausen und Klum:Leise rieselt der Kalk

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Kinder, Schafe, Gladiatorenkämpfe: Zapping zwischen Eckart von Hirschhausens Gedächtnis-Test und Heidi Klums Modelsuche.

Katharina Riehl

Gerade in Zeiten wie diesen - wenn der Regen die Plastikstühle vor der Eisdiele davonschwemmt und es gilt, ein Urlaubsland vor der Pleite zu bewahren - muss das Volk bei Laune gehalten werden. Es sehnt sich nach freundlicher Unterhaltung, leicht verständlichen Spielen und einer kleinen Prise Sadismus, um sich nach einem weiteren Tag der schlechten (Wetter-) Meldungen ein wenig zu zerstreuen. Brot und Spiele, nur ohne Wagenrennen.

Eckart von Hirschhausen hatte in der ARD zum großen Gedächtnistest geladen. Und Modelmama Heidi Klum ließ auf Pro Sieben die Models tanzen. (Foto: Foto: ddp/dpa/sueddeutsche.de)

Wo soll man hinzappen?

Stattdessen stellt das Erste Deutsche Fernsehen zum zweiten Mal den Allround-Spaßvogel Eckhart von Hirschhausen als Moderator vor ein Millionenpublikum - und beim privaten Konkurrenten Pro Sieben ist eine schon etwas erfahrenere Kollegin zugange: Heidi Klum.

Die blonde TV-Kraft scheint auch nach vier Jahren noch immer kein neues deutsches Topmodel gefunden zu haben - und muss deshalb einfach immer weitersuchen. Wo, bitteschön, soll man da hinzappen?

Beim öffentlich-rechtlichen Eckhart von Hirschhausen haben sich ein paar Kollegen zum Gedächtnis-Test eingefunden: Markus Lanz ist da, Gunther Emmerlich, die Quotenblondine Gülcan Kamps und Hirschhausens neuer Kollege in der ARD-Abendunterhaltung, die Zotenblondine Guido Cantz. Mit einer Reihe lustiger Aufgaben soll ihr geistiges Alter berechnet werden.

Vor allem besteht die Sendung aber aus allem, was die letzten 60 Jahre öffentlich-rechtliches Fernsehen so an Einfällen für eine Samstagabendshow hervorgebracht haben: Es wird gekocht, ein Orchester macht Musik, ein Pantomime malt spiegelverkehrte Buchstaben in die Luft, ein niedliches hochbegabtes Kind kann sich sehr gut Nachnamen merken, ein putziges Schaf samt Lamm mümmelt im Studio an seinem Abendgras und mäht auf Anfrage sogar ins Mikrofon.

Gastgeber Hirschhausen selbst, mit Neigung zur großen Geste und zur starken Betonung, macht ein wenig den Eindruck, als hätte er eine Abendshow noch viel lieber in den fünfziger Jahren moderiert.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wer sich beim Gedächtnis-Test als verkalkter erwies - Frauen oder Männer.

Die Kandidaten fangen also gerade an, richtige und falsche Knöpfe auf ihren Stehpulten zu drücken, da stecken die Damen bei Heidi Klum schon mittendrin in ihrer komplizierten Aufgabe: Eine Straße sollen sie herunterrennen und sich dann im richtigen Moment mit dem Gesicht voraus auf den Gehweg schmeißen. Dabei das Lächeln nicht vergessen - es liegt schließlich eine Matratze zwischen gerougter Wange und Asphalt.

Heidi selbst fährt mit einer Art Golf-Buggy nebenher, trägt in jeder Einstellung eine andere Sonnenbrille, und ruft den Mädchen (wenn nötig) zu, doch gefälligst ein wenig höher zu fliegen. Germany's next Topmodel hatte ja schon immer eher etwas von Gladiatorenspielen als vom Familienzirkus: Eine Horde junger Frauen, die der Klum zur Belustigung des Volkes zum Fraß vorgeworfen werden.

Altherrenwitze über Prostata-Präparate

Eckart von Hirschhausen hat mittlerweile sein Sakko ausgezogen. Bei den Kandidaten haben sich die Herren Lanz und Cantz als klare Favoriten erwiesen, Gülcan stöckelt so schön piepsend zur Kulisse des anstehenden Geometriespiels, dass man kurz vergessen könnte, eben umgeschaltet zu haben.

Der Moderator selbst probiert sich in der Zwischenzeit an ein paar Altherrenwitzen über Prostata-Präparate und abgelegte Sekretärinnen ("TippEx").

So fesselnd das auch ist: Bei den Topmodels wird derweil eine schwierige Choreographie eingeübt. Ein Stock muss sexy um Kopf und Hüften geschwungen, der Körper entsprechend geräkelt werden. Heidi hat endlich die Augen zu strengen Schlitzen zusammengezogen und erklärt, dass sie nun sehen will, wer mit solchen schwierigen Situationen zurechtkommt.

Ist schließlich bald Entscheidungstag, und nur eines der Mädchen kann ... ja, ja.

Auch bei Hirschhausen wird abgerechnet. Überraschend: Guido Cantz' Gehirn ist ungefähr 40 Jahre jünger als seine Witze. Die Frauen sind geistig zwar um einiges verkalkter als ihre männlichen Gegenkandidaten, sie bekommen zum Trost aber einen Strauß Blumen. Leise rieselt der Kalk.

Bei Heidi konnte am Ende keine so schön performen wie Heidi das selbst gekonnt hätte. Einen Rauswurf gibt es diesen Donnerstag keinen, Blumen aber auch nicht.

Hoffentlich ist nächste Woche das Wetter besser.

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