TV-Kritik: Harald Schmidt:Lustloser Bierzeltbespaßer

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Zum Schmidtchen degradiert: Harald Schmidt ist zurück aus der ARD-Sommerpause - ein letztes Mal, bevor er zu Sat 1 wechselt. Doch nicht mal mehr das mit der Provokation klappt bei "Dirty Harry".

Hans Hoff

Man muss eine gehörige Weile zurückdenken, um sich an einen Tag zu erinnern, an dem der Talk in Harald Schmidts Late-Night-Show zu den besten Momenten gehörte. Denn in jüngster Zeit war es oft so, dass der Hausherr seinen Gast derart lustlos abfragte, dass man sich wünschte, man hätte schon nach dem Scherzteil abgeschaltet.

Auf in eine letzte Runde bei der ARD: Harald Schmidt, ein bisschen mit seinem jetzigen Arbeitgeber beleidigt, ist aus der Sommerpause zurück - zum letzten Mal. Denn 2011 wird er zu Sat 1 wechseln. (Foto: AP)

Doch nun - Schmidt ist aus der Sommerpause zurück - sitzt da der Gast und sprüht förmlich vor Lebensweisheit. Sprüht gar derart, dass selbst Schmidt die Spucke wegbleibt. Ernst Prost heißt der Mann. Mit Schmieröl verdient er sein Geld - und im Studio erteilt er einem lustlosen Witzemacher gleich mal eine Lektion: "Liebe ist Voraussetzung für ein gutes Geschäft", sagt Prost.

Liebe, was für ein ekliges Wort, scheint Schmidt zu denken. Liebe ist für einen wie Schmidt vermutlich baba, eklig, Dreck. Liebe passt nicht in die Welt, die er sich offenbar aus lauter Selbstzufriedenheit gezimmert hat.

Aber einem wie Prost ist Schmidt nicht gewachsen, dem kann er nicht mit seinen Sprüchen kommen. Prost lässt ihn auflaufen, degradiert ihn zum Stichwortgeber, zum Schmidtchen.

Das Dilemma eines einst begnadeten Satirikers

Was für ein erhellender Moment ist es, als Prost die Show übernimmt. Erleichterung macht sich breit, weil nicht länger Schmidt die Show gestaltet, sondern der ernsthaft am Leben und an der Gesellschaft interessierte Gast.

Vorbei ist es plötzlich mit der Lustlosigkeit, die den Großteil der Sendung geprägt hat. Vorbei ist es mit schalen Kachelmann-Anspielungen, die so öde ausfallen, dass man sie höchstens noch Pocher zutrauen würde. Aber doch nicht Schmidt.

Vielleicht steht eine Musikeinspielung stellvertretend für das Dilemma der ARD-Abschiedstournee des einst begnadeten Satirikers. Da stimmt die Band Are You Gonna Go My Way von Lenny Kravitz an, und das Gitarrenthema, das dem Stück eigentlich Kraft verleiht, klingt fistelig und unentschlossen. Kein Vergleich mit früheren Einsätzen, als die Zerlett-Band noch für das volle Wuchtpaket stand.

Wahrscheinlich ist es auch schwierig, in einer Show zu spielen, in der so gar nichts mehr funktionieren will.

"Leck mich am Arsch. Nicht mal mehr die Ossis sprechen mich an" - lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Schmidt in einem Straßencafé die Erkenntnis überfiel, dass er mehr Sendungen machen muss.

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Schmidts Anfangsmonolog wirkt, als habe er ihn sich von Bierzeltbespaßern schreiben lassen. Hundertmal sagt Schmidt "ich kann" - und beweist doch immer wieder, dass er es eben nicht mehr kann. Er wirkt wie ein Vertreter, dem niemand mehr etwas abkaufen mag und der darob verzweifelt.

Der Bart ist ab, die Haare werden lichter. Das Äußere korrespondiert auf wundersame Weise mit dem Inhalt. Einmal sagt Schmidt "Juden, Juden, Juden" und tut so, als breche er jetzt ein Tabu. Er wird wohl darunter leiden, dass sich niemand darüber aufregt.

Dann zeigt er ein Bild von Cherno Jobatey und macht sich über den Morgenmagazin-Moderatoren vom ZDF lustig. So weit ist er schon, dass er seine Witzchen auf Kosten von Cherno Jobatey machen muss.

Schließlich erzählt er, wie er in einem Straßencafé in Rom saß und ihn tatsächlich so etwas wie Erkenntnis überfiel. "Leck mich am Arsch. Nicht mal mehr die Ossis sprechen mich an. Ich muss mehr Sendungen machen", sagt er dazu und spielt damit natürlich auf seinen im nächsten Sommer anstehenden Abgang zu Sat 1 an.

Eine matte Kopie der Welke-Show

Gleichzeitig wird deutlich, dass es bis dahin noch eine verdammt lange Strecke werden wird, denn auch seine Angestellten funktionieren nicht.

Der von Switch ausgeliehene Parodist Max Giermann liefert mit seiner Christian-Wulff-Darstellung den besten Beweis, dass er nicht alles kann. Sein Bundespräsident könnte problemlos auch Horst Köhler sein oder ein ARD-Intendant oder sonst wer.

Selbst der sonst so zielsicher das Absurde im Selbstverständlichen aufspürende Jan Böhmermann langt bei seinem Beitrag über die Protestierer von "Stuttgart 21" nur ins Seichte.

Schmidt macht zudem deutlich, wie prima die heute show im ZDF funktioniert. Dort weiß Oliver Welke, wie man Politikerstatements witzig in den Fluss einer Sendung einbaut und kommentiert. Schmidt weiß gar nichts mehr davon. Eine überlange Sommerpause hat gereicht, seine Sendung wie die matte Kopie der Welke-Schau wirken zu lassen.

Doch er wird der ARD noch etliche Shows zumuten, bevor er endlich zu Sat 1 geht. Strafe könnte er dort indes erwarten, denn beim neuen Arbeitgeber wird man sicherlich von ihm fordern, dass er, um ein bisschen Werbung für seine Show zu machen, durch die anderen Sendungen des Senders tingelt. Die werden gestaltet von Oliver Pocher und von Johannes B. Kerner.

Schmidt als Gast bei Kerner - eine gruselige Vorstellung.

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