TV-Kritik: Beckmann:Rrrrummms - Peer Steinbrück rechnet ab

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Ex-Finanzminister Peer Steinbrück mit Hasskappe: Er kanzelt die Finanzelite ab - mit Fachbeistand aus prominentem Hause.

Melanie Ahlemeier

Der Wortakrobat der Sozialdemokraten meldet sich zurück. "Die Zahnpasta muss wieder in die Tube!" So etwas sagt er. Oder: "Gelegentlich habe ich masochistische Anwandlungen!"

Peer Steinbrück, Bundesfinanzminister just zu dem Zeitpunkt, als in den USA die Investmentbank Lehman Brothers kollabierte und die Welt in den Abgrund riss, taucht aus der Versenkung aus - sprachgewaltig, schnörkellos, gnadenlos. Und mitunter sogar ein klein wenig sich selbst reflektierend. Superman returns? Nicht ganz, aber ein bisschen.

Die Banker: Arroganz und Ignoranz

Die Abrechnung mit der Finanzelite kommt an diesem TV-Abend auf typisch Steinbrück'sche Art daher. "Am Anfang", doziert der studierte Volkswirt über das große Ganze, "steht ein Marktversagen." Doch nicht nur der Markt, sondern auch die Wirtschaftsjournalisten hätten total falsch gelegen. Das "Paradigma der Deregulierung, der Entfesselung der Märkte", resümiert der gebürtige Hanseat, sei auch von den Wirtschaftsredaktionen gepredigt worden.

Rrrrummmmms. Das hat gesessen.

Doch Steinbrück geht bei Beckmann in der ARD ans Eingemachte. Was ihn ärgert? Dass trotz des großes Crashs Investmentbanker die im übertragenen Sinne immer noch große Party feierten. "Arroganz" und "Ignoranz" hat Steinbrück bei der angeprangerten Finanzelite ausgemacht. Was ihn nervt? Die juvenile, "rotzige" Haltung der Generation Mitte 20 bis Mitte 30. Dazu passt der Einspieler der Beckmann-Crew. Tenor des Filmchens: Die Banker feiern sich - ganz so, als ob es keinen Crash gegeben hätte.

Und Peer Steinbrück? Der Sozialdemokrat hat sich für diese Talkshow freiwillig die Hasskappe übergestülpt. Dabei hat er sichtbar Spaß.

Der Ex-Minister, einst Held des rechten Seeheimer Kreises seiner Partei, legt los und lacht dabei viel. "Es gibt Manager, die den Urknall gehört haben", doziert Steinbrück über die Bankerszene. Der Druck, der automatisch durch das Amt des Bundesfinanzministers entsteht - den ist er los. Darum kann er sich zuweilen auch in Selbstkritik (Stichwort: von der Politik forcierte Deregulierung) und Angela-Merkel-Bashing üben.

Auf die Frage von Moderator Reinhold Beckmann, ob er, Steinbrück, gelegentlich noch mit der Kanzlerin telefoniere, antwortet er flugs: "Damit kann ich nicht kokettieren. Ich habe keinen Bedarf."

Rrrrummmmms. Auch das hat gesessen.

Aber der Oktober 2008, als Steinbrück quasi als Angela Merkels sorgenvoller Adjutant den Deutschen vor laufenden Kameras die Sicherheit der Spareinlagen garantierte, ist ja auch lange vorbei.

Apropos erste Politliga: Auch dazu fällt Steinbrück nichts Gutes ein. "Das ist Wahnsinn!", lästert er über die "Klientelbedienung" in puncto Steuererleichterung für Hoteliers, jene Geschenke, die sich FDP und CSU für Wähler und Sponsoren einfallen ließen. Er selbst, schiebt der Promi-Politiker unaufgefordert nach, hätte die Kohle in die Bildung gesteckt. So viel zur aktuellen Politik.

Derzeit schreibt Steinbrück ein Buch, das sicherlich bestsellerreif wird und ein sechsstelliges Autorenhonorar wert ist. Bis Ende Juli muss er fertig sein - umso mehr Respekt hat der einstige Ministerpräsident für die Buchautorin Susanne Schmidt.

Sie hockt neben ihm im TV-Studio, die promovierte Nationalökonomin, die mehr als 30 Jahre lang in der Londoner City gearbeitet hat, davon zwei Jahrzehnte in leitender Funktion für internationale Finanzinstitute. Außerdem ist sie die Tochter von Loki und Helmut Schmidt. Und Steinbrück verehrt den Alt-Bundeskanzler - mit dem inzwischen über 90 Jahre alten Elder Statesman spielt er Schach.

Susanne Schmidt, ebenso wie Steinbrück Jahrgang 47 und in Hamburg aufgewachsen, ist in diesem Fernsehgespräch der perfekte Gegenpart zu Steinbrück. Warum? Weil die Finanzexpertin gemeinsam mit dem ausrangierten Finanzminister eine unterhaltsame Le(h)r(n)stunde auf die Mattscheibe zaubert. Sogar für jene, die sich ansonsten vielleicht eher wenig für die Finanzindustrie interessieren.

Ganz gleich ob Credit Default Swap (CDS), Hedgefonds oder Private Equity - Dr. Susanne erläutert mal solo, dann wieder den meckrigen Onkel Peer verbessernd, in der Rolle einer Nachhilfelehrerin das Krisen-Fachvokabular. Patent-kompetent, aber ebenso wie Steinbrück sehr humorvoll gibt sich die Autorin, die zuletzt für den Börsensender Bloomberg-TV gearbeitet hat. Auf den Mund gefallen ist sie nicht, eben ganz der Papa ("Schmidt-Schnauze").

Dann lieber Schrauben machen

Moral sei für Banker ein Fremdwort ("Moral kommt nicht ins Bewusstsein") und die gut ausgebildete Elite wolle nur noch in die Bank, um Geld zu machen, bilanziert die Tochter aus prominentem Haus, die wegen der Prominenz ins Ausland flüchtete. Ihr Ansatz: Junge, vor allem aber gut Ausgebildete sollten doch lieber in die Realwirtschaft gehen - "Schrauben machen".

Obwohl die Analyse der beiden Krisen-Experten Steinbrück ("Es muss Spielregeln geben", "Das Licht am Ende des Tunnels kann auch der entgegenkommende Zug sein") und Schmidt ("Die Finanzmärkte haben sich so rasant entwickelt, dass die Politik nicht mehr mitkam") nicht neu ist, lockt sie bei Beckmann zum Nachdenken. Das ist diesmal die Stärke dieses Talks: Die Gäste haben Ahnung von dem, über das sie reden.

Eine gewisse Länge hat die Show nur, als lang und breit Helmut Schmidts 90. Geburtstag nachgeklappert wird. Der Ehrentag ist zwar nicht gerade gestern gewesen, aber irgendwie müssen die 100 Minuten Sendezeit ja vollgestopft werden. Papa Schmidt als Alibi dafür, warum die Tochter in der Sendung sitzen darf - das hätten sich die Fernsehleute wirklich sparen können. Susanne Schmidt steht für sich.

Im September - so der Plan - soll Steinbrücks Buch auf den Markt kommen. Wer weiß, vielleicht übernimmt Susanne Schmidt dann wieder die Rolle der Journalistin, so wie jetzt, als sie von ihrem Parteigenossen Steinbrück wissen wollte, wie denn, bitteschön, eine neue Banker-Generation korrekt erzogen werden könne. Noch hatte der Bundesfinanzminister a. D. darauf keine direkte Antwort.

Aber bis der Wortakrobat der SPD in seinem Buch die leichte Kavallerie losschickt, ist ja noch ein wenig Zeit.

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