ARD-Serie "Thunder in my Heart":Erwachsenwerden tut weh

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Sigge (Amy Deasismont) und Sam (Alexander Abdallah) probieren aus, wie es wäre ein Paar zu sein. (Foto: SWR/Nordic Entertainment Group)

Schön und schmerzhaft: Die schwedische Coming-of-Age-Serie "Thunder in my Heart" erzählt von den Liebes- und Lebensleiden einer jungen Frau.

Von Johanna Müller

Sigge steht in ihrem rosaroten Kinderzimmer und betrachtet die Bilder an den Wänden. Hundebaby-Poster, Fotos von ihrem kleinen Bruder, Bilder der lachenden Eltern. Aufnahmen aus vergangenen Zeiten. War da noch alles besser? Sigge ist 22 und gerade in ihre erste eigene Wohnung gezogen. Nach der turbulenten Trennung ihrer Eltern will sie selbstständig leben, sie träumt von Partys und Sex. Es stellt sich aber bald heraus, dass der Auszug aus dem rosaroten Kinderzimmer nicht nur die lang ersehnte Freiheit bedeutet.

Da wäre zum Beispiel die Sache mit Edvin (Max Ulveson), der Sigge nicht nur abserviert, sondern auch mit Chlamydien angesteckt hat. Oder ihr bester Freund Sam (Alexander Abdallah), der in ihr plötzlich mehr als nur eine Freundin sieht. Auch mit ihrer Familie hat Sigge zu kämpfen. Das Loslösen von den Eltern funktioniert eben nicht so gut, wenn man sich noch um den kleinen Bruder kümmern muss, die Mutter als Aufpasserin zu Dates begleiten soll und der unzuverlässige Vater das Konto mit den Ersparnissen leer räumt. Und so findet Sigge sich inmitten jener merkwürdigen Übergangsphase vom Kind zur Erwachsenen.

Gewöhnliche Menschen, gewöhnliche Körper, gewöhnliche Probleme

Gespielt wird Sigge von der 30-jährigen Amy Deasismont, die in Schweden als Popsängerin Amy Diamond zum Kinderstar wurde, als 13-Jährige einen Nummer-Eins-Hit in den schwedischen Charts landete. Als Schauspielern war sie schon in der auch in Deutschland ausgestrahlten Comedy-Serie Gösta zu sehen. Für Thunder in my Heart hat Amy Deasismont erstmalig auch ein Drehbuch verfasst und bei zwei Folgen die Regie übernommen. Ihr Blick auf die eigene Generation erinnert mehr an Girls als an Gossip Girl: Gewöhnliche Menschen mit gewöhnlichen Körpern und gewöhnlichen Problemen. Nur mit weniger Geld als in Girls.

Die Filmemacherin lässt keinen unangenehmen Teil des Erwachsenwerdens aus. Sie zeigt unbeholfene Sexszenen mit verlegenen Dialogen, Sigge beim Masturbieren im Badezimmer oder wie sie Joghurt als Mittel gegen Scheidenpilz in den Intimbereich schmiert.

Die Szenen sind so alltäglich, dass es manchmal auch belanglos wirkt. Fehlende Authentizität kann man der Serie aber nicht vorwerfen: Die Protagonisten leben in unaufgeräumten Wohnungen mit Frank-Ocean-Plakaten an den Wänden, frühstücken Käsebrote mit Gurke, ärgern sich über zersprungene Handy-Bildschirme und tragen an mehreren Tagen die gleichen Outfits.

Tiefe bekommt die Serie durch die Darstellung von Sigges Emanzipation von ihren Eltern. Sie hadert mit ihrer neuen Autonomie und will am liebsten beides sein, behütetes Kind und erwachsene Frau. Dieser Zwiespalt, die Selbstständigkeit zu genießen und gleichzeitig die sorglose Kindheit zu vermissen, kommt in Thunder in my Heart deutlich zum Vorschein.

Mit Sigge hat Amy Deasismont eine mutige und zugleich verletzliche Figur geschaffen. Durch sie wird die Miniserie zu einer humorvollen Erzählung, die das Erwachsenwerden darstellt, wie es eben ist: Schön und verdammt schmerzhaft.

Thunder in my Heart, in der ARD-Mediathek.

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