Im Hinausgehen trällert Jan Böhmermann ein Liedchen. "Freiheit! Freiheieeiet!" hört man ihn westernhagenhaft singen, als er das Studio verlässt, in dem seine persönliche Stellungnahme aufgezeichnet wurde. Und die deutlich unsouveräner hätte ausfallen können.
Ganz die Füße stillzuhalten, das schafft Böhmermann nach der Entscheidung der Mainzer Staatsanwaltschaft nicht. Diese hatte am Dienstag bekanntgegeben, das Strafverfahren gegen den ZDF-Satiriker einzustellen, weil ein Straftatbestand nicht mit Sicherheit nachzuweisen sei. Und Böhmermann äußert sich dazu, medienwirksam über diverse Kanäle angekündigt und ausgestrahlt:
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Die Kernaussage: Böhmermann freut sich. Nicht nur darüber, dass die Staatsanwaltschaft Mainz die Sendung vom 31. März 2016 komplett angesehen habe, sondern auch, dass sie zu dem Schluss gekommen sei, dass Böhmermann "ein unseriöser Quatschvogel" sei, "der beruflich Blödsinn macht". Alles andere hätte er zwar schmeichelhaft, aber auch einigermaßen beunruhigend gefunden, liest der Satiriker von einem Zettel. Sein juristisches Proseminar zum Thema Schmähkritik sei kein Versehen gewesen, kein Zufall und auch kein Ausrutscher, sondern genauso mehrere Tage zuvor geplant und vorbereitet worden.
Erst Monty Python, dann Westernhagen
Dann aber wird Böhmermann politisch. Im Vergleich zur Lage in der Türkei sei die Böhmermann-Affäre in sich schon wieder ein Witz, so Böhmermann. Und resümiert: "Wenn ein Witz eine Staatskrise auslöst, ist das nicht das Problem des Witzes, sondern des Staates." Und wie gesagt, er freue sich. Dass er jetzt wieder Quatsch machen könne. Was er auch prompt tut: Erst stimmt er die Monty-Python-Hymne "Always look on the bright side of life" an, dann eben Westernhagen. Ach ja, und Fragen könnten Medienvertreter noch bis Mitternacht stellen.
Anders sieht das Mustafa Yeneroğlu. Der deutsch-türkische Abgeordnete bezeichnete die Entscheidung der Mainzer Staatsanwaltschaft als "Armutszeugnis für die deutsche Justiz" und das Vorgehen als "Skandal". Der AKP-Politiker geht davon aus, dass Erdoğan Beschwerde gegen die Entscheidung einlegen wird. Der Anwalt des türkischen Präsidenten, Michael-Hubertus von Sprenger, zeigte sich am Dienstag noch "in hohem Maße erstaunt" über die Entscheidung. Zu weiteren Schritten wollte er sich zunächst nicht äußern.
Böhmermanns Anwalt Christian Schertz kritisierte hingegen die Bundeskanzlerin und warf Angela Merkel in einem Statement Kompetenzüberschreitung, Verletzung der Gewaltenteilung und öffentliche Vorverurteilung vor. Das habe die türkische Regierung als Ermutigung verstehen können, juristisch gegen den ZDF-Moderator vorzugehen, so Schertz.
In einem zivilrechtlichen Verfahren muss sich Böhmermann noch verantworten. Am 2. November kommt es vor dem Hamburger Landgericht zu einer mündlichen Verhandlung. Erdoğans Anwalt will eine weitere Verbreitung des Schmähgedichts komplett verbieten lassen.