Stefan Raab ist medienscheu. Klingt paradox, ist aber so: Sein Privatleben ist für die Öffentlichkeit tabu, nur selten gibt er Interviews. Unser Autor Hans Hoff hat Stefan Raab im Februar 2011 getroffen - kurz vor dem Eurovision Song Contest in Düsseldorf, bei dem Lena Meyer-Landrut am Ende den zehnten Platz belegte. Das Interview zeigt, wie der einstige Fernseh-Innovator tickt - und gibt Hinweise auf seine mögliche Rücktrittsmotivation.
Mittags in Köln-Mülheim. In den leeren Gängen zwischen den Brainpool-Studios wummert ein Bass. Im Bandkeller probt gerade Lena für das Finale von Unser Song für Deutschland an diesem Freitag. Zwei Etagen über ihr sitzt Stefan Raab in seinem Büro. Er lächelt, macht einen aufgeräumten Eindruck, der noch nicht ahnen lässt, dass er nach der siebten Frage seine Stimme auf die Phonstärke einer Uli-Hoeneß-Wutrede anheben und eine knappe Stunde nicht mehr senken wird. Da hatte sich offenbar etwas aufgestaut.
SZ: Wann, Herr Raab, treten Sie endlich zurück?
Stefan Raab: Wie kommen Sie auf so 'ne Frage?
SZ: Man hört allerorten, Sie seien am Ende.
Raab: Ich kann gerne zurücktreten, aber dann kommt das Militär.
SZ: Das ist doch schon da, Ihr System wird doch nur noch von den Pro-Sieben- und ARD-Schutztruppen am Leben gehalten.
Raab: Wer sagt das?
SZ: So klingt das Echo aus dem Medienwald.
Raab: Ist das Ihre persönliche Meinung?
SZ: Das spielt keine Rolle.
Raab: Doch, das spielt eine Rolle. Da sehen Sie, wie groß der Unterschied zwischen der veröffentlichten und der öffentlichen Meinung ist. Ich habe das natürlich wahrgenommen, und ehrlich gesagt wundert es mich, dass der Intellekt mancher Journalisten keine andere Deutung zulässt. Was ist denn passiert?
SZ: Die Show, Unser Song für Deutschland, war langweilig, und die Zuschauerzahlen sind bei der zweiten Ausgabe abgesackt - von 2,56 auf 1,82 Millionen.
Raab: Seit wann interessieren Sie sich denn für die Quoten?
SZ: Wir interessieren uns bei einem Ereignis wie dem Eurovision Song Contest (ESC), der angeblich zwölf Millionen Euro kosten soll und sich an ein Massenpublikum richtet, auch für die Quoten.
Raab: Erst mal zum Thema Muba-Raab: Diktatur trifft eher auf die Jahre vor Lena zu. Ich bin doch von der ARD gebeten worden, Ödland aufzuarbeiten. Nach 2004 gab es nur die Auswahl zwischen drei Künstlern. Sie hatten also die Wahl zwischen Pest und Cholera. In dem Jahr vor Lena hatten Sie nicht mal diese Wahl. Da wurde diktatorisch bestimmt: Alex swings, Oscar sings und Dita tanzt. Da haben Sie die Pest, die Cholera und die Syphilis frei Haus bekommen. Dann sind wir hingegangen und haben in dieses System eine Neo-Demokratie eingeführt. Wir haben nicht nur über den Künstler abstimmen lassen, sondern auch über den Song. Das System, was wir jetzt hier betreiben, ist nur die logische Konsequenz. Da müssen Sie sich nur Ihre eigenen Artikel vom vergangenen Jahr durchlesen. Da stand, dass das todlangweilig ist, dass sich das kein Mensch angucken kann. Andere haben geschrieben, dass wir besser als Platz fünf sowieso nicht abschneiden werden. Aber am Schluss wollten alle mit aufs Foto, inklusive der Journalisten.
SZ: Herr Raab ...
Raab: Ich bin noch nicht fertig. Ich habe mit Lena schon Wochen vor dem Sieg zusammengesessen und darüber gesprochen, was sie tut, wenn sie gewinnt. Lena hat dann die Entscheidung getroffen, etwas zu tun, womit keiner rechnet, weil alle nur danach streben, einmal Erfolg zu haben und den Erfolg zu konservieren. Ich habe zu Lena gesagt: Wenn das nicht der Höhepunkt deiner Karriere gewesen sein soll, dann müssen wir noch mal antreten und entweder den eigenen Erfolg durch eine haushohe Niederlage pulverisieren oder wir gewinnen noch mal und pulverisieren den ersten Erfolg durch den zweiten. Ich verstehe Leute nicht, die sagen: Man solle aufhören, wenn es am schönsten ist. Man mache sich den eigenen Ruhm kaputt. Was ist das denn für ein Schwachsinn? Das zeigt aber, worauf die aus sind: auf Ruhm. Ruhm bringt aber im Leben nichts. Ruhm ist so kurzatmig, dass auf der Aftershowparty des Deutschen Fernsehpreises die Hälfte der Leute nicht mehr weiß, wer einen Preis bekommen hat.