Siebte Topmodel-Staffel:"So ein hübsches Mädchen, aber sie hat Mega-Probleme"

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Heidi Klum hat Konkurrenz bekommen im öffentlichen Model-Casting-Zirkus, und es gibt Gerüchte, ihre Show werde demnächst abgesetzt. Die siebte Staffel GNTM startet deshalb mit einigen Änderungen, viel Selbstbeweihräucherung - und einem Juror, der stolz ist, einem Mädchen auf der Bühne Hose und Shirt vom Leib zu reißen.

Ruth Schneeberger

Eine echte Konkurrenz sind Eva Padberg und Karolina Kurkova eigentlich nicht für Heidi Klum: Deren dem Klumschen Castingzirkus sehr offensichtlich nachempfundene Show auf Vox (Das perfekte Model) ist einfach zu ähnlich und zu erfolglos, um den Machern von Germany's Next Topmodel ernsthafte Sorgenfalten auf die Stirn treiben zu können. Trotzdem fühlten sich die GNTM-Macher dazu aufgerufen, zum Start der siebten Staffel bei ProSieben am Donnerstagabend lauthals und mehrfach zu verkünden, dass ihre eigene die "erfolgreichste Modelschau der Welt" und keine andere so glamourös, so sexy und derart beliebt sei. Das klingt nach Kindergarten-Kräftemessen.

Es ist immer noch nicht lustig, wenn Jurorin Klum vermeintliche Schwächen ihrer Nachwuchskräfte auf der Bühne nachmacht und zur Unterstützung der Herabwürdigung mit Comicgeräuschen unterlegt. (Foto: AP)

Wenn nach solch voluminösem Intro dann gleich Heidi Klums piepsende Stimme ertönt, mit deren Imitation Komödiantin Martina Hill im TV schon viel Geld verdient hat, ist es mit Glanz und Gloria vorbei, bevor es überhaupt angefangen hat. Auch wenn sich die Macher redlich mühen, diesmal alles ein bisschen anders zu machen.

Manches gelingt, anderes nicht. Beginnen wir mit dem Positiven: Wenn einzelne Kandidatinnen per Homestory vorgestellt werden, bevor sie zum ersten Mal die Bühne betreten, erfüllt das insofern seinen Zweck, als der Zuschauer positiver eingestimmt wird auf Einzelne, von denen er das Gefühl hat, sie seien nun mehr als eine Nummer. Sprich: Das "Mitfiebern" über die Entscheidungen der Jury wird angeheizt, der Zuschauer mehr involviert. Auf der anderen Seite verliert die Show dadurch an Spannung, weil man nach jeder Homestory ahnt: Wenn hier so aufwändig zu Hause gedreht wurde, mit Familie, Hund oder Freund am Küchentisch in Ostfriesland, dann kann man schon vor der Entscheidung sicher sein: Diese Kandidatin kommt weiter.

Neu ist außerdem, dass schon in der ersten Folge eine Modenschau stattfindet, weil schon jetzt nur noch 30 Kandidatinnen übrig sind. Es geht also in der Vorauswahl ein wenig zackiger zu, und auch das, was den Zuschauer abseits des Castings-Wahns an der Sendung vielleicht noch interessieren könnte, nämlich Mode und Styling, wird nicht so lange hinausgezögert wie sonst.

Bei einer Show des deutschen Designers Guido Maria Kretschmer staksen die Modelanwärterinnen in unfassbar elegantem Beinkleid im Stil der 20er-bis 40er-Jahre über ihre erste ernsthafte Bühne. Das wäre in der Tat hübsch anzuschauen, wenn nicht jeder einzelne Anfängerfehler von den Kameras begierig eingefangen und in Endlosschleife slapstickartig wiederholt würde.

Ins Endlose ausgedehnte Entwürdigungen

Überhaupt, der Humor: Es ist immer noch nicht lustig, wenn Jurorin Klum vermeintliche Schwächen ihrer Nachwuchskräfte auf der Bühne nachmacht und zur Unterstützung der Herabwürdigung mit Comicgeräuschen unterlegt.

Auch dass sich die Juroren gegenseitig im Nachäffen von teilweise nicht mal volljährigen Kandidatinnen zu überbieten versuchen, und diese für alle Beteiligten entwürdigenden Szenen nicht etwa herausgeschnitten oder zumindest auf das Wesentliche reduziert, sondern ins Endlose ausgedehnt und ständig wiederholt werden, soll wohl dem Entertainment dienen, tut es aber nicht. Genausowenig wie die Tatsache, dass inzwischen noch mehr Kandidatinnen als üblich zu noch mehr Nichtigkeiten Pseudo-Interviews geben müssen. Da wird zehnfach aus verschiedenen Mündern darüber resümiert, wer zu welcher Gelegenheit welches Kleid tragen darf und was das wohl über den Ausgang des Wettbewerbs aussagen mag. So viel heiße Luft war selbst hier selten.

Heidi Klum und Seal getrennt
:Am Ende ihrer Tage

Das Märchen vom deutschen Mädchen, das in Amerika Ruhm, Reichtum und die ganz große Liebe findet, hat ein überraschend nüchternes Ende gefunden: Im siebten Ehejahr haben Heidi Klum und Seal ihre Trennung bekanntgegeben. Bilder einer perfekt inszenierten Liebe.

Und natürlich stehen einmal mehr zu Beginn bereits die Rollen fest, die es im Folgenden zu verfolgen gilt: Die "Zicke", die mit "Hammerkörper" und demonstrativ zur Schau getragenem Selbstbewusstsein und losem Mundwerk polarisieren soll, das "naive Mädchen", das gleich zu Beginn ein Brautkleid präsentieren darf, die Burschikose, die seit ihrer Kindheit Fußball spielt und den Walk nicht schafft, was die Jury dazu verleitet, am Rande des Catwalks zu tuscheln: "Ein wunderschönes Mädchen, aber sie hat Mega-Probleme." Und den vermeintlichen Jury-Liebling, ein Mädchen, das schon beim Erstauftritt so viele Vorschusslorbeeren erhält, das man sicher sein kann, dass die vermeintlich jetzt schon feststehende Siegerin des Wettbewerbs recht bald rausfliegen wird, um die Spannung zu steigern. In der anschließenden schier unerträglich gewordenen Hofberichterstattungssendung "Red!" wird noch auf eine weitere Rolle hingewiesen, die es in der ersten Show gar nicht zu sehen gab: auf das blonde "Rich Girl", das schon "als Kind geritten" ist.

Schon vor Beginn wurde in den Medien diskutiert, dies könnte die letzte Staffel für Heidi Klum sein, weil das Format veralte, die Gewinnerinnen bis auf die der ersten Staffel entgegen allen Ankündigungen keine Models und schon gar keine Topmodels geworden seien, die Kritik darüber nicht abreiße, dass hier ein gefährliches Körperbild vermittelt werde und auch die Quote nicht mehr so traumhaft sei. Der Sender dementiert diese Überlegungen.

Mehr Register ziehen, als überhaupt zur Verfügung stehen

Doch wer sich die neue Staffel anschaut, ahnt, unter welchem Druck die Macher stehen. Nämlich unter dem, zu beweisen, es sei doch alles in bester Ordnung. Das ist es aber nicht, solange Juror Thomas Rath schon in der ersten Folge auf die Bühne rennen und einem vollkommen verunsicherten Mädchen Hose und T-Shirt vom Leib reißen darf, damit man die Figur besser zu Gesicht bekomme. Scripted Reality hin oder her.

Natürlich, es ist eine Entertainment-Show, die keinem anderen Zweck dient, als das Publikum seicht aber beständig zu unterhalten und möglichst lange bei der Stange zu halten, weshalb wieder einmal mehr Register gezogen werden als zur Verfügung stehen. Gäbe es nur Heidi Klums Show im deutschen Fernsehen, umzingelt von Anspruchsvollerem, man könnte sie als Kuriosum abtun. Aber leider liegt der Fall ja anders.

Mittlerweile gibt es, zumindest im Privatfernsehen, fast nur noch solche Sendungen - und der Ton überträgt sich längst auf die Öffentlich-Rechtlichen. Casting-Shows, Scripted Reality, eimerweise Sendungen mit Laiendarstellern in Serie - "echte" Formate mit richtigen Schauspielern, seriöse Dokus oder Talentshows gibt es kaum noch zu sehen. Kein Wunder, dass eine ganze nachwachsende Generation nicht mehr unterscheiden kann, was echt und was falsch ist und sich in Heerscharen vor die begierigen Kameras stürzt, um einem anerzogenen Traum hinterherzurennen.

So viele Mädchen haben sich diesmal wieder für GNTM beworben (15.000) und schon so junge Mädchen (teilweise Elfjährige) fühlen sich laut Studien von der Show in ihrem Körperbild beeinträchtigt, dass sich mittlerweile eine Initiative gegründet hat, um den öffentlichen Zirkus rund um das Zurechtstutzen junger Menschen auf Gardemaß zumindest im Privatleben zu durchbrechen: "Schau hin!" heißt die Initiative des Familienministeriums und der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die Eltern dazu bewegen soll, Shows dieser Art mit ihren Kindern gemeinsam zu gucken und darüber zu diskutieren und zu informieren, um mögliche Fehlentwicklungen schon im Keim zu ersticken. Dabei sollte die Parole wohl lieber lauten: Schau einfach weg.

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